CORNELIUS UND DAS WELTGERICHT.
Springer schildert dies Verhältnis (a. a. O., II, S. 305)
sehr schön: nIn der göttlichen Liebe Endet er jetzt allein
das Heil, auf welches ihn die Nähe des Todes dringend
hinweist. Den Glauben brennt er zu erlangen, der ihm
durch eigne Schuld fast entschwunden, auf die Gnade setzt
er seine einzige Hoffnung, denn:
Durch eignes Wohl kann niemand dir sich weihen,
Giebst du ihm nicht von deiner Gnade Kunde.
Sein Auge wendet sich immer und immer wieder zu
Christus am Kreuze, dessen Blut die verheißene Erlösung
gebracht und die menschliche Schuld getilgt:
Wie keine Marter deiner gleich erschien,
So sei auch deine Gnade ohne Maßenß
Und in einem anderen Sonette sagt Michelangelo:
Mein Herz erfreut nicht Meißeln mehr und Malen,
Dall es sich nur zur Gottesliebe wende,
Die ausgespannt am Kreuz die Hand uns reicher.
War das der Gedankenkreis und die religiöse Stimmung,
welche der seit 1534 eintretende Verkehr mit Vittoria Co-
lonna bewirkte oder doch zu lebendigerem Bewußtsein
brachte, so rnuß mit ihm das seit 1535 begonnene große
Werk, zumal bei einem Meister, der wie Michelangelo stets
seine eigenste Empfindung in seinen Schöpfungen wieder-
gab, in innerem Zusammenhange stehen. Dieser aber ist
der der Auflehnung gegen eine Anschauung, welche zwar
von der Kirche gelehrt wurde, die aber einer tieferen und
reineren christlichen, in der heiligen Schrift obendrein sehr
wohl begründeten AulTassung widerstreiten muß.
Während nun Michelangelo in Christus selbst die kirch-
liche Anschauung von dem einen Teil der Menschheit
erbarmungslos verdatnmenden Weltrichter darstellt, bringt
er seine persönliche Überzeugung in dem Entsetzen und
der Überraschung der Heiligen und der Märtyrer zum Aus-
druck. Aus demselben Gefühle des Widerspruches gegen
die erbarmungslose Verdammung ist "aber auch die Dar-
stellung der Auferstehenden entsprungen. Einerseits werden
die Guten emporgezogen, und nicht zum wenigsten durch das
gläubige Gebet, wie es die Gruppe lehrt, in welcher der