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TRACHT UND MODE.
und alle die tausend Zufälligkeiten, welche Veranlassung
zur Anwendung gewisser Gegenstände für bestimmte
Bedeutungen geben, fortwährend durchkreuzt. Ganz anders
ist es bei der Mode. Da die einzelne Veränderung, welche
mit der Kleidung vorgenommen wird, die Wlahl gerade
dieses Stoffes oder dieser Form oder Farbe keine symbolische
Bedeutung hat, so entspringt diese Veränderung und diese
Wahl vielmehr irgendwelchen, nicht nur einem Menschen
unter ganz bestimmten Verhältnissen, sondern allen
Menschen irgendwie zukommenden Voraussetzungen. Und
da nun diese Voraussetzungen bis zu einem gewissen Grade
die gleichen sind, jedenfalls aber gleichen Grund haben,
so ergiebt sich hieraus die Möglichkeit allgemein giltiger
Gesetze und demgemäß einer allgemeinen, alle Erscheinungen
gleichmäßig umfassenden Bedeutung. Die Grundlage solcher
allgemein giltiger, in der Mode trotz aller Veränderungen
immer wieder hervortretender Gesetze festzustellen, wird
nun die Aufgabe sein, wenn diese Betrachtung der Mode
Anspruch auf wissenschaftlichen Wert erheben will.
Wenn ich nun sage, diese Grundlage der in der Mode
hervortretenden Gesetze ist der Geschmack, so ist man
berechtigt von mir eine Erklärung darüber zu verlangen,
was ich mit diesem vielgebrauchten und vielmißbrauchten
Worte meine und inwiefern es Grundlage von Gesetzen
werden kann.
Wir gebrauchen den Ausdruck nGeschmacka, um die
bei der Erfassung einer Reihe sinnlicher Eindrücke un-
mittelbar aus der Empfindung entspringende Urteilsfähigkeit
zu bezeichnen. Geschmack haben heißt also ein Em-
piindungsurteil haben. Der Geschmack oder das Empfindungs-
urteil steht dem Verstandesurteil gegenüber. Während dieses
mit Begriffen arbeitet, entscheidet das Emplindungsurteil
nur über sinnliche Eindrücke, über Vorstellungen, welche
wir vermittelst unsrer Sinne von der Außenwelt gewinnen.
Das erste Merkwürdige hierbei ist, daß wir den Ausdruck
Geschmack, der von der Thätigkeit eines einzigen Sinnes-
werkzeuges hergenommen ist, anwenden, um ein Urteil
auszudrücken, welches außer durch diesen Sinn, den des
Schmeckens, auch noch durch einen oder mehrere der