CORNELIUS um: DAS WELTGERICHT. 269
sich die Guten und die Bösen: jene wurden von den Engeln,
diese von den Teufeln in Empfang genommen und nach
ihren neuen Wohnstätten geleitet. Paradies und Hölle
bildeten gesonderte Räume, durch Aufbau von Felsen-
massen klar von der Erde, dem Schauplatze des Gerichtes
und der Auferstehung, geschieden, in vollster Übereinstim-
mung mit der damals herrschenden kosmischen Welt-
anschauung. In dem strenge gesonderten Raume konnte
sich nun auch Satan selbst präsentieren als Mittelpunkt
der um ihn sich gruppierenden Kreise der Gemarterten,
deren Qualen mit besonderer Vorliebe und mit der dem
Mittelalter eigentümlichen Erfindungsgabe für die ein an-
genehm-schauerliches Gruseln ervveckende Grausamkeit
(vgl. oben S. 109) geschildert werden. So sehen wir es
in offenbarem Anschluß an Dante bei Giotto in der
Arena zu Padua, bei Orcagna in Sta Maria Novella, bei
dem Meister des Weltgerichtes im Campo Santo zu
Pisa, so selbst bei dem milden Fiesole, der sich freilich bei
der Schilderung des Reigentanzes der Seeligen und des
Einzuges in das Paradies offenbar heimischer gefühlt hat.
Deutsche Werke begnügen sich lieber mit der Andeutung
der beiden Behausungen und schildern das Hineinführen,
ohne den Satan selbst in Mitleidenschaft zu ziehen: so auf
einem Bilde imWallraf-Richartz-Museum in Köln (Nr.178), auf
dem berühmten Bilde in der Marienkirche zu Danzig, so auf
dem neuerdings wieder freigelegten großartigen Wandbilde
über dem Triumphbogen im Ulmer Dome (vgl. Zeitschrift
für bildende Kunst 1883, S. 205). Hier ist es überall gleich-
mäßig die gewaltige Predigt, welche mit der ganzen Kraft
der Eindringlichkeit, wie sie nur die Anschauung zu ge-
währen vermag, sich an die Gläubigen wendet, um praktisch
in ihre Lebensführung einzugreifen. Hier ist aber auch zu-
gleich überall von seiten des Künstlers das Bestreben, diese
Predigt im einzelnen künstlerisch ergreifend zu gestalten,
sodaß das Auge zugleich gerne bei dem Anblicke verweilen
und die Sprache des Bildes dadurch nur um so ergreifender,
eindringlicher, haftender werden möchte. Dabeirblieb die
Überlieferung in der Darstellung des Weltrichters wohl-
bewahrt, sodaß sein Ausdruck der vbürgerlichen Ehrbarkeita,