Conmanus um) ms WELTGERICHT. 267
trachtende Menschheit diese Schritte gemacht, hat sie
gelernt, daß eine Kultusdarstellung zugleich religiös und
schön, zugleich religiös und realistisch wahr sein kann, so
wird sie sich auch daran gewöhnt haben, eine Kultus-
darstellung in erster Linie als einen Gegenstand ästhetischer
Betrachtung anzusehen, und wird die ihr ursprünglich eigene,
lehrhafte Wirkung von ihr weder erwarten noch verlangen.
Wird aber, trotz der herrschend gewordenen ästhetischen
Anschauungsweise, für eine nach ästhetischen Grundsätzen
geschaffene Kultusdarstellung dennoch und in erster Linie
eine lehrhafte, auf das religiöse Gemüt, auf die religiöse
Phantasie zielende Wirkung mit dem praktischen Erfolge
einer Bußpredigt erstrebt, so treten Mittel und Zweck des
Bildes ebenso wie die ästhetische Bildung der Betrachter und
die Aufgabe der Darstellung in einen Widerspruch, welcher
dem Bilde den einheitlichen Charakter nicht gewinnen läßt
und der Wirkung auf die Beschauer die Unmittelbarkeit und
die zwingende Macht raubt. Und diesen Widerspruch hat
Cornelius rnit seinem nWeltgerichta wachgerufen.
Diese Thatsache hängt mit der eigentlichen Größe
von Cornelius aufs engste zusammen. Gerade er hatte
klar erkannt, daß mit der bisherigen, in die ödeste Ver-
flachung führenden Kunstüberlieferung gebrochen werden
müsse, daß ein neuer Lebenskeim für die Malerei unbedingt
notwendig sei. Er suchte und fand ihn, indem er auf eine
frühere Kunstepoche zurückgrilf und ihr außer dem ein-
facheren Kunstmittel inbezug auf die Darstellung, die
Bevorzugung der Zeichnung, auch den tieferen Gehalt der
Erfassung der Rätsel des Menschendaseins in der Form
der geheiligten religiösen Überlieferung entnahm. Als er
in den Glyptothekfresken und zwar im Göttersaale dasselbe
Problem im Gewande der hellenischen Mythologie behan-
delte, hatte er reichen Beifall gefunden: der tiefe Gehalt
konnte empfunden werden, ohne daß die Form, in welche
er ihn kleidete, einen anderen Anspruch gemacht hätte als
den einer dichterischen Existenz, welche den Glauben an
eine reale Wahrheit nicht verlangte. Da konnte die ideale
Wahrheit des Vorganges um so kräftiger wirken. In der
Ludwigskirche wird die Sache anders. Hier verlangt die