WELTGERICHT.
DAS
CORNELIUS um)
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man sieht, wie er seine Kunst aufgefaßt und verwendet
hat, welche Stellung er für sie in Anspruch genommen
und Welche Stellung sie thatsächlich einnimmt, laßt sich
erkennen, inwieweit er im Widerspruch mit seiner und
unserer Zeit steht, was an ihm nicht nur groß, sondern
auch bleibend ist.
Von allen seinen Werken möchte gerade nach dieser
Seite hin den besten Einblick in sein Denken und Schaffen
das Werk gewähren, auf dessen Wirkung er wohl die
größte Hoffnung gesetzt hat und dessen Erfolg der am
wenigsten bedeutende, wenigstens der am mindesten all-
gemein anerkannte war. Das nWeltgerichta in der Ludwigs-
kirche in München, von Cornelius durchaus eigenhändig
ausgeführt, sollte seinen zweifelhaft gewordenen Ruf als
Maler wiederherstellen und hat gezeigt, daß gerade das
malerische Element seine schwächste Seite war. Es sollte
beweisen, wie die volle Kraft des Meisters sich erst auf
religiösem Gebiete entfalten werde und hat geoffenbart,
daß diese Kraftentfaltung nicht in dem Sinne wirkte,
welchen der Meister voraussetzte, daß die Mitwelt und
wir können uns noch nicht als Nachwelt fühlen das
große Werk zwar bewunderte, aber ihm gegenüber doch
kalt blieb. Es sollte die schwankende Stellung des Künstlers
in München aufs neue befestigen und ist der nächste
Anlaß geworden, daß er einen anderen Boden suchen mußte,
auf welchem er festere Wurzeln schlagen könnte.
Der Grund liegt keineswegs in erster Linie in der
ungenügenden Farbenwirktlng, welche mit dem wachsenden
Interesse für die Farbe und ihr Recht in der Malerei nicht
im Einklange war. Er liegt auch nicht darin, daß der
Gegenstand veraltet wäre und uns in religiösem Sinne
kein Interesse mehr abzugewinnen vermochte. Der Grund
liegt vielmehr darin, daß Cornelius für die Kunst eine
Stellung in Anspruch nahm, Welche sie in unserer Kultur
nicht mehr beanspruchen kann, und daß er, indem er
mit genialer Rücksichtslosigkeit die Konsequenzen aus
seiner Voraussetzung zog, sich mit der modernen Auf-
fassung der Kunst in einen verhängnisvollen Widerspruch
setzte, welchen alle Bewunderung für die Lauterkeit