262 CORNELIUS UND DAS WELTGERICHT.
Volkstümlichkeit nicht hat gelangen können, daß sogar in
künstlerischen Kreisen die Einwirkung dieses schöpferischen
Geistes rasch, ja man möchte der immer mehr zur Herrschaft
gelangenden naturalistischen und koloristischen Richtung
gegenüber sagen, spurlos vorübergegangen ist. Beobachtet
man zugleich, wie mit dieser Entwickelung ein reißend zu-
nehmendes Wachstum an Inhaltslosigkeit und Unbedeutend-
heit der Motive hervortritt, die sich nur verhältnismäßig
selten über das Alltägliche des Lebens erheben und dann
meist nur so, daß sie an historisch Bedeutendes anknüpfen,
während die eigentliche dichterische Schöpfung sich am
liebsten auf die äußere Erscheinung beschränkt, so schließt
sich wohl von selbst die weitere Frage daran, ob Cornelius
in der That bereits als überwundener, nur einer historischen
Betrachtung würdiger Gegenstand angesehen werden müsse,
oder ob er nicht doch noch ein recht wertvolles, bedeut-
sames Element in der Kunstentwickelung zu bleiben be-
rechtigt sei, dessen höhere Beachtung, dessen eifriges, eben-
soweit von Vergötterung wie von Verwerfung entferntes
Studium niemand mehr von Nutzen sein könnte als der
Kunst und den Künstlern selbst. Die wirklich großen
Meister haben es wie die wahrhaft großen Staaten von
jeher verstanden, alle keimfähigen Elemente in sich aufzu-
nehmen und ihrer eigenen Natur gemäß zu verarbeiten,
von Malern wohl keiner in höherem Grade als der gerade
dadurch in seiner Entwickelung rastlos und ununterbrochen
vorwärtsschreitende Raffael: an dem Großen und Bedeu-
tenden einfach vorübergehen, weil es nach einer anderen
Richtung hinlenkt, führt notwendig zur Einseitigkeit und
Kleinlichkeit. Sollte daher eine maßvolle Rückkehr zu Cor-
nelius, eine Wiederanknüpfting an das, was ihm bleibend
als groß angehört, ohne das zu übersehen, was ihm als
Schwäche und Verkennung des Wertvollen entgegen-
stehender und von ihm verworfener Richtungen anhaftet,
nicht ein frischer Lebenskeim der Malerei werden können,
so wie sein eigenes Auftreten unleugbar ein solcher gewesen
ist? Der richtige Weg dazu möchte sein, sich in vorurteils-
freier Weise die Stellung klar zu machen, welche Cor-
nelius in der Kunstentwickelung einnimmt. Nur wenn