RAFFAELS TRANSFIGURATION. 2 j 9
die Auferweckutig des Lazarus gewählt hatte (jetzt in der
Nationalgalerie in London), die Auferstehung durch die
Transfiguration ersetzt habe. Einerseits ist die Gestalt
Christi aus der Liller Skizze zur Auferstehung in das
zweite Bild direkt herübergenonimen, andererseits trete
nCllC enge Beziehung zwischen Lazarus" Auferweckung und
der Transfiguration deutlich zu Tage. Offenbar wollte
Raffael den Wettstreit auf das von Sebastiano unter Mit-
hilfe Michelangelos betretene Gebiet der pathetisch-drama-
tischen Schilderung übertragen und wechselte den Gegen-
stand der Darstellung. Die Komposition der unteren Hälfte
des Verklärungsbildes wird erst ganz verständlich, wenn
man ihr die Gruppen auf dem Gemälde der Auferweckung
Lazari gegenüberstellta. Diese ansprechende Vermutung
läßt sich vielleicht noch nach einer Seite hin ergänzen.
Die Auferstehung ist ja gewiß das wichtigste aller Wunder:
nlSt aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt
vergeblich, so ist auch euer Glaube vergebliche (I Kor. I5,14)_
Aber als Gegenstand der künstlerichen Darstellung ist ihre
unmittelbare Wirkung bekanntlich beschränkt auf die un-
gläubigen Wächter, welche die einzigen Zeugen waren:
es läßt sich also außer der Gestalt des Verklärten nur
das Entsetzen der erschreckten Wächter darstellen. Offenbar
erschien dies Raffael zu arm dem unmittelbar wirkenden
Wunder gegenüber, welches sich Sebastiano gewählt hatte:
bei der Erweckung des Lazarus kamen zu dem Wunder
selbst die mannigfachen Wirkungen desselben auf die
verschieden gearteten Gruppen der Miterleber der Szene.
Wollte Raffael in dem Wettstreite nicht zurückbleiben, so
mußte er eine Szene suchen, welche ihm mindestens einen
entsprechenden Reichtum an Schilderung seelischer Vorgänge
darböte. Und seine geniale Schöpferkraft hat ihn nicht
im Stiche gelassen: statt eine schon oft behandelte Szene
zu wählen, schuf er sich eine ganz neue, welche ihm zu-
dem einen noch größeren Reichtum seelischen Lebens zu
schildern erlaubte, als es selbst bei Lazarus' Erweckung
der Fall ist. Diese schöpferische Thätigkeit liegt nun
aber nicht in dem Zusammenstellen der zwei Szenen, welche
nach der Erzählung des Lukas an verschiedenlgn Tagen,