Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

RAFFAELS TRANSFIGURATION. 2 j 3 
 
das Leidende, Bedürftige, oben das Wirksame, Hilfreiche, 
beides auf einander sich beziehend, in einander einwirkende; 
gerade dieses Einwirken aufeinander ist in der von Goethe 
vorausgesetzten Weise nicht vorhanden, und doch wäre 
gerade dies das für die Einheit der Handlung Entschei- 
dende, während das zweifellose sich auf einander Beziehen 
die Einheit der Wirkung begründet und unter allen Um- 
standen zur Folge hat. 
Neuere Beurteiler des Bildes erkennen zunächst an, 
daß die Apostel den Heiland nicht sehen, und suchen da- 
her die Einheit der Handlung in dem Hinaufzeigen der 
Apostel zu finden. Woermann in seiner nGeschichte der 
Malereia (II, S. 671) sagt: nDoch ist die untere Gruppe 
so gedacht, als sähe sie die obere nicht: der Beschauer 
nur soll sie sehen, damit er auf geistigem Wege die Ein- 
heit herstellen. Wäre dies der Fall, so läge die Einheit 
der Handlung nicht im Bilde selbst: sie träte erst durch 
die Einheit der Wirkung hervor und auch selbst dann 
nur, wenn der Beschauer die geistige Thatigkeit auszu- 
führen geneigt wäre: es muß aber zu dieser der WVegi 
mit zwingender Notwendigkeit durch den Künstler selbst 
gewiesen werden, und hier wäre sie thatsächlich von 
Seiten des Künstlers überhaupt nicht vorhanden. Springer 
dagegen (a. O. II, S. 190) nimmt für diese Einheit die 
hinaufdeutende Bewegung selbst in Anspruch: n).   der 
Apostel, welcher mit der Hand nach oben weist, eine 
Geberde, welche auch der Apostel links in der Ecke, mit 
zwei anderen jüngern den Fall ernst beratend, wiederholt. 
Dadurch wird die Verbindung mit der oberen Szene her- 
gestellt, eine innere organische Einheit der Komposition 
geschaiifena. 
Es ist keine Frage, daß dieses Hinaufweisen in der 
Verbindung der unteren und der oberen Szene ein wich- 
tiges Element bildet: wohl aber ist es eine Frage, ob es 
diese Verbindung allein und in genügender Weise zu 
Stande bringen kann. Zunächst deutete es, in diesem Sinne 
genommen, nur auf die Thatsache hin, daß sich Christus 
auf dem Berge befindet, hätte aber in keiner Weise mit 
seinem augenblicklichen Zustande der Verklärung etwas
	        
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