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der einen oder der anderen Persönlichkeit aus diesem ur-
sächlichen Zusammenhange heraustritt, oder wenn dieser
nicht in dem Sinne ein unmittelbarer ist, daß er sich
auch zeitlich in ununterbrochener Folge vollzieht.
Wendet man dies auf das berühmte letzte Werk Raffaels,
die Transfiguration oder Verklärung Christi an, so möchte
zunächst die Einheit der Wirkung außer Frage stehen.
Unter allen Umständen kommt der mächtige Gegensatz
zwischen der Hilfsbedürftigkeit in der unteren Hälfte und
der Hilfsmöglichkeit in der oberen Hälfte zu überzeugender
Wirkung, und zwar so, daß jede der beiden Hälften gerade
für diese Wirkung die andere Hälfte verlangt: die Hilfs-
bedürftigkeit findet ihre Erlösung in dem Vorhandensein
der hilfreichen Macht; diese selbst hätte kein Äußerungs-
gebiet ihrer Thätigkeit, wenn nichts Hilfsbedürftiges vor-
handen wäre.
Dagegen ist es eine alte Frage, ob hier wirklich eine
einheitliche Handlung oder eine Doppelhandlung vorhanden
sei. Wer irgendwie Empfindung für das innerste Wesen
eines Kunstwerkes hat und weiß oder herausfühlt, daß dies
in erster Linie in seiner Einheitlichkeit liegt, die allein es
als eine mit innerer Notwendigkeit gleich einem Organis-
mus entstandene Schöpfung offenbart, wer irgend eine
klare Vorstellung von der Art des künstlerisch schaffenden
Genius hat, der, selbst ein Erzeugnis der vollendetsten
Gestaltung eines natürlichen Organismus, wiederum seiner-
seits nichts schaffen kann, nichts als fertig und vollendet
aus sich herausstellen kann, was nicht eben dieses Gepräge
der auf innerer Notwendigkeit beruhenden Einheitlichkeit
trägt, der wird sich nicht entschließen können zu glauben,
daß Raffael am Schlusse seiner Laufbahn, nachdem es ihm
gelungen war, die schwierigsten Probleme in Darstellungen
mit einheitlicher Handlung zu gestalten, bei einem XVerke,
mit welchem er thatsächlich mit einer gegnerischen Rich-
tung in Wettstreit trat, gerade diese wichtigste Seite des
Kunstwerkes, die für ihn sonst der natürliche Ausdruck
seines innersten Wesens war, bei Seite gesetzt hätte. In
vollster Erkenntnis dieser künstlerischen Nzttur Raffaels
sagt Goethe von ihm mit Bezug auf diese Schöpfung