240 DIE VENUS von MILO.
Zunächst ist die Thatsache zu berücksichtigen, daß der
linke Arm von allem Anfang an angesetzt war. Da dieser
Arm unter allen Umständen sich vom Körper entfernte,
so hätte der Künstler, wenn er ihn mit dem übrigen
Körper aus einem einzigen Blocke hätte meißeln wollen,
diesen von ganz bedeutend größeren Abmessungen nehmen,
dann aber ein sehr großes Stück nutzlos abschlagen und
zertrümmern müssen. Daß aber der Künstler entweder
keine großen Blöcke zur Verfügung hatte oder aber auf
das technische Kunststück, das ganze Werk aus einem Blocke
herzustellen, keinen Wert legte, ein Umstand, der unsere
Achtung vor seiner künstlerischen Einsicht nur erhöht,
beweist die andere Thatsache, daß auch der Körper selbst
von Anfang an aus zwei Blöcken (Ober- und Unterkörper)
besteht. Es findet sich aber auch ein äußerer Beleg dafür:
das Loch an der Schulter, in welchem mit einem metallenen
Halter der Oberarm befestigt wurde, ist noch vorhanden.
Nähme man nun nicht an, daß schon der Originalkünstler
den linken Oberarm aus einem besonderen Stücke angesetzt
hätte, so wäre damit entschieden, daß die jetzt vorhan-
denen Armfragmente von einem Restaurator herrühren
müßten denn daß diese angesetzt waren, beweist ja
jene Ansatzstelle, oder aber man müßte annehmen, sie
wären überhaupt niemals mit dieser Statue verbunden ge-
wesen: in beiden Fällen wären die Fragmente für die
Frage nach dem ursprünglichen Motiv nicht zu berück-
sichtigen. Wir schließen uns jedoch der Ansicht an, der
Originalkünstler habe schon selbst den linken Oberarm
aus einem besonderen Stücke gearbeitet. Darf dies aber
als sicher gelten, so kann der Umstand, daß die Fragmente
vermutlich einmal mit der Statue verbunden waren, nichts
für ihre Originalität beweisen: der linke Arm war ja unter
allen Umständen von Anfang an angesetzt, und die Frag-
mente müssen daher durch ihre eigenen Eigenschaften be-
währen, ob sie zu dem originalen Arme oder einem später
angesetzten gehörten. Als solche Eigenschaften werden zwei
für die Originalität angeführt: die Gleichartigkeit des Mar-
mors und die richtigen Verhältnisse der Fragmente. Der
erste Grund beweist irichts, weil sich in demselben Stein-