DIE VENUS VON MILO. 239
Mars zurück. Hier genügt außer dem bisher Gesagten
schon, daß eine zurückhaltende Venus sich nicht nach rechts,
sondern nach links beugen müßte, wie sie es in der That
in den uns erhaltenen Gruppen dieser Art thut (vgl. Die
hohe Frau von Milo, Tafel III, Fig. 8); oder aber sie müßte
den Mars gewaltsam zurückzerren. Ist jedoch schon bei
liebevollem Zurückhalten außer der Körperbewegung auch
der abweisende Ernst in dem Ausdrucke des Gesichtes
mit dem äußeren Motiv nicht in Übereinstimmung zu
bringen, so ist dies bei der zweiten Auffassung noch viel
weniger der Fall, so daIS auch diese beiden Versuche als
verfehlt zu betrachten sindf
Aber sind denn nicht mit der Statue Fragmente eines
linken Oberarmes und einer linken Hand, welche den Apfel
hält, gefunden worden, die in oifenbarem Widerspruch zu
der hier dargelegten Ansicht stehen?
Es darf in der That als feststehend betrachtet werden,
daß jene Fragmente nicht nur zugleich mit der Statue
gefunden worden sind, sondern auch, daß sie bei der Aut-
findung zwar nicht mehr mit der Statue zusammenhingenf
wohl aber früher mit ihr verbunden gewesen sein mögen.
Wenigstens lassen dies nicht sowohl die Gleichartigkeit
des Marmors als vielmehr die genau entsprechenden Größen-
verhältnisse der Statue und der Armfragmente mit hin-
länglicher Sicherheit vermuten. Dieser Umstand wird denn
auch von den Verteidigern der Hypothese der Apfelhaltung
als ein Grund von entscheidendem Gewichte angeführt,
vor welchem alle Gegengründe schwinden müßten. In der
Freude über einen alle Schwierigkeiten wenn auch nicht
lösenden, so doch abschneidenden Schluß sind aber einige
Punkte nicht so beachtet worden, wie es hätte geschehen
sollen.
1 Über andere neuere Versuche der Erklärung giebt meine Schrift:
Neues über die Venus von Milo S. 1-36 Rechenschaft. Vgl. ferner
den nAnhangrc, welcher weitere Ergänzungen bringt.
2 S. Die Venus von Milo. Eine kunstgeschichtliche Monographie
von Friedrich Frhrn. Goeler von Ravensburg (Heidelberg, Winter. 1879)
S. 16 Vgl. C. von Lützows Zeitschrift für bildende Kunst, 187;,
Kunstchronik Nr. 17-19.