TRACHT
MODE.
UND
rade durch den Mangel scharf sich ausprägender und daher
symbolisch darstellbarerEigentümlichkeit sich charakterisiert.
Wir sehen ferner, daß Zeiten, welche große politische und
damit zusammenhängende soziale Veränderungen hervor-
bringen, Zeiten, welche den Unterschied der durch Trach-
ten geschiedenen Stände verwischen, zugleich auch die
Trachten selbst aufheben und allgemeingiltige und gerade
dadurch für den Einzelnen nicht mehr symbolische Klei-
dung einführen. Die merkwürdigste Umwälzung dieser
Art ist wohl die französische Revolution gewesen. Als
1789 die Reichsstände in Frankreich zum ersten Male nach
langer Zeit sich wieder versammelten, erschien neben der
im Glanze ihrer reichen Trachten strahlenden Geistlichkeit
der Adel in Mänteln von schwarzem Samt, die mit Gold-
stoff gefüttert und mit Spitzen besetzt waren, und in Hüten
mit hohen Federn; die Abgeordneten des dritten Standes
trugen jedoch einfache schwarze Mäntel, weiße Halsbinden
und Hüte ohne Knöpfe und ohne Federn. Aber wie
bald schon ward aus der Ständeversammlung die National-
versammlung, wie bald kam der 5. August und hob alles,
was an Ständeunterschiede erinnerte, auf, wie bald kamen
die anderen wilderen Stürme, die selbst monsieur und
madame nicht schonten, sondern das ausgleichende, jeden
Unterschied verwischende citoyen und citoyenne an ihre
Stelle setzten. Und als nun nach jahrelangen Kämpfen der
Sturm sich abkliirte, da hatte sich das allgemeine, für den
Einzelnen charakterlose Gesellschaftskleid entwickelt, und
es erhält sich noch bis auf den heutigen Tag: es ist der
Frack, der vielbespottete und doch für unsre Kulturver-
hältnisse, welche die Ausschließting einzelner Stände
nicht mehr dulden, so charakteristische Frack. Er wird
von jedem getragen, der zur Gesellschaft gehört. Diese
selbst aber ist nichts Abgeschlossenes. In sie tritt jeder
ein, der eine gewisse Bildung mitbringt, und sie rekrutiert
sich fortwährend aus Klassen der Bevölkerung, die nach
der alten Standeabteilung für immer von ihr ausgeschlossen
gewesen wären.
Wie die Schwierigkeit des Verkehrs die Tracht be-
fördert hatte, so wird die Leichtigkeit des Verkehrs der