Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

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hinführten. Diese Nebenmotive konnten äußerlicher Art 
sein, wie Attribute; sie konnten aber auch mehr innerlicher 
Art sein, indem sie eine Bewegung, eine Handlung darstellten, 
welche der Persönlichkeit so eigentümlich war, daß diese 
sicher an ihr erkannt werden konnte. Diese Bewegung 
diente jedoch nur als Mittel, um das Wesen zu charakteri- 
sieren, war aber nicht der Gegenstand der Darstellung, das 
Hauptmotiv. Sie mußte demgemäß so dargestellt werden, 
daß man sie sich leicht als eine nicht in einem bestimmten 
Zeitmomente, sondern als gleichsam außer der Zeit ge- 
schehend, nicht als diese einzelne Handlung, sondern als eine 
die Persönlichkeit charakterisierende, sich oft, ja vielleicht 
immer gleichartig wiederholende Handlung vorstellen 
konnte. Wenigstens mußte sich die Persönlichkeit in dieser 
Bewegung, die ihr Wesen erkennen lehren sollte, dauernd 
denken lassen. Die Bewegung durfte also keine solche 
sein, in welcher sich der Körper thatsächlich nur einen 
Augenblick, auf dem Übergange von einem Zustande in 
einen anderen, innerhalb des Verlaufes einer eben vor sich 
gehenden Handlung befinden kann: auch die Bewegung 
muß den Charakter der Ruhe, die Möglichkeit einer Dauer 
in sich tragen, nicht nur ihrem Gesamteindrucke nach, 
sondern durch die Beschaffenheit der Haltung des Körpers 
selbst und das Verhältnis seiner Teile zu einander. 
Oder aber der Künstler wollte eine Bewegung darstellen, 
welche sich nur innerhalb des Verlaufes einer Reihe von 
Augenblicken denken läßt und selbst nur einen dieser Augen- 
blicke währt: sie ist daher nicht darauf berechnet, daß der 
Körper in der in diesem Augenblicke erreichten Haltung 
verharrend gedacht werde, sondern daß sie die Phantasie 
des Beschauers in eine Reihe von Zuständen vor dem für 
die Darstellung gewählten Augenblicke zurück und über ihn 
in die dem Augenblicke der Darstellung folgenden Zustände 
hinausführe, so daß die Handlung rückwärts und vorwärts 
sich abschließt, die der Bildkünstler, den Grenzen seiner 
Kunst gemäß, nur in einem Augenblicke festhalten kann 
und die er daher in dem nfruchtbarstenu Momente erfassen 
muß. In diese-m Falle ist der Grund der Bewegung 
zugleich das Hauptmotiv, die Art der Darstellung aber ist
	        
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