206 Monrrz vor: Scnwrxn.
sicherer Hand von Anfang an die tröstende Gewißheit
giebt, daß die Rettung gelingen muß, wenn nur und
das ist eben das Neue das Menschenherz selbst die
Probe aushält: ohne seine Treue nutzt auch die überirdische
Hilfe nichts. Hier liegt auch die Quelle der Spannung
und zwar nicht nur der äußerlichen dramatischen, sondern
der sittlichen, welche an das ethische Problem anknüpft. Und
einem Shakspeare gleich weiß der Künstler mitten in den
entscheidungsvollen Ernst des furchtbarsten Augenblickes,
der Verwandlung auch der neugeborenen Kinder in Raben,
köstlichen Humor einzuweben: während uns das Entsetzen
des Vaters tiefes Mitleid einflößt, reizt die Überraschung
und der Schauder der Hebamme trotz allem Ernste zur
Heiterkeit. Und gerade hier schwebt über dem Ganzen
warnend, aber auch schützend und Rettung verheißend, die
gute Fee: so bleibt in höchster Not die Hoffnung erhalten.
Allein so edel und erhebend auch das Dulden einer
reinen Seele ist, die für andere leidet und fremde Schuld
sühnen will, so wird der erschütternde tragische Konflikt
doch erst erreicht, wenn Schuld und Sühne sich in der-
selben Menschenbrust vollziehen. Zu dieser höchsten Stufe
des sittlichen Problems erhebt sich der Meister in dem fast
an der Grenze seines Lebens stehenden Werke, der nMelu-
sinea (N. 721-731; vgl. N. 75. 206. 296. 411). Man
muß, um zunächst die dichterische Bedeutung Schwinds
zu erfassen, das Miihrchen, zumal in der Tieckschen Be-
arbeitung, lesen, um die Sicherheit und den künstlerischen
Takt in seiner ganzen Größe zu bewundern, mit welchem
Schwind aus der krausen Vielheit von Geschehnissen
mit fester Hand das eine Ereignis herausgelesen und
so umgestaltet hat, wie es, in ergreifender Einfachheit,
nicht nur geeignet ist, uns tief zu erfassen, sondern besonders
auch geeignet ist, ein Gegenstand der Bildkunst zu werden.
Sollen wir aber für eine Schuld Sympathie gewinnen, so
muß sie uns menschlisch verständlich, ja bis zu gewissem
Grade berechtigt und somit als Unschuld aufgewiesen werden
(vgl. oben S. 1051i"). Dies erreicht der Künstler hier durch die
Verbindung des Menschen mit dem überirdischen, anderen
Gesetzen des Daseins unterworfenen Wesen, der Nixe Eine