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Momrz
VON
Scnwuvn.
reift und enthüllt sie und ihr Walten unseren staunenden
Blicken. In der That nes gehört ein gar feiner, ein gar
keuscher, guter Sinn dazu, um das Geheimnis aller Schön-
heit und aller Wunder der Natur aufzuschließennP Wirk-
liche Allegorien hat Schwind dagegen im Ständesaal in
Karlsruhe geschaffen, als er in Medaillonumrahmung die
nTugendenu darstellte (N. 461-468), nicht ohne sie sofort
nach der humoristischen Seite hin zur Charakteristik einer
Reihe von Abgeordneten zu verwenden (N. 802-807. Vgl.
N.I67-172; 381-386; 706-709). Hat er bei den Tugenden
schon seine Beherrschung der Gestaltenwelt der Antike
gezeigt, so tritt dies noch mehr in seinen reizvollen Dar-
stellungen des bacchischen Kultus hervor, besonders bei dem
nTanz um die Hermea (N. 49. 585) und bei der Bestrafung
eines kecken Faunes durch neckische Nymphen (N. 750).
Ein weiteres Beispiel giebt die schöne Bleistiftzeichnung,
welche uns den Glaukos zeigt, wie er die Skylla, Welche
die Liebe des struppigen Meergottes verschmäht, vergebens
zu sich in die Tiefe zu ziehen versucht (siehe die Abbil-
dung in Originalgrösse zu Anfang dieser Abhandlung.
Es kann aber nicht ausbleiben, daß die beiden Seiten
des Lebens sich berühren, sowohl auf dem Boden des
irdischen Lebens selbst, als auch im Zusammenstoß des
irdischen und des überirdischen Lebens. Wenn der Ritter
auf die Jagd zieht, so tritt ihm aus dem Garten ein blühendes
Mädchen entgegen und reicht ihm holdverschämt eine
Blume. Da mag der Hund noch so eifrig nach dem davon-
eilenden Hirsche springen der Ritter pariert das Roß,
um den Gruß entgegenzunehmen, der sein alltägliches
Treiben so lieblich unterbricht (N.799). Hurnoristisch aber
wendet sich die Begegnung idealen und realen irdischen
Treibens, wenn der Einsiedler zu seiner Klause zurückkehrt
und erstaunt an seinem Platze einen fröhlichen Dudelsack-
pfeifer findet, der sein Instrument mit vollen Pausbacken
zum Tönen zwingt und dabei gierigen Auges nach dem
' Worte Schwinds zu Ludwig Richter (siehe dessen Selbstbiographie
nLebenserinnerungen eines deutschen Malersa Frankfurt a. M., I. Alt,
4. AuH. 1886, II, S. 130).