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MORITZ von
Scnwnen.
pfindenden Herzen wohl zu Mute wird, bei Schwind das
künstlerische Vermögen seinem Wollen vollständig ent-
sprach und er so imstande war Werke zu schaffen, die
um so tiefer zum Herzen sprechen, mit je größerer Rein-
heit und Schlichtheit der Empfindung es an sie herantritt.
Aus diesen Gegensätzen der irdischen Existenz und der
als Wirklichkeit angenommenen idealen Existenz, sowie
aus ihren Berührungen ergeben sich eine Reihe von Mög-
lichkeiten, die wir alle bei Schwind vertreten finden. So
wenig wir voraussetzen dürfen, daß er sie sich Verstandes-
mäßig klar gemacht hatte, so sehr erweisen sie sich, in
solchen Zusammenhang gebracht, als gute Führer durch
die scheinbar oft so weit auseinander liegenden Schöpfungen
des Meisters und zum Verständnis des dennoch einheitlichen
Charakters, den sie ebenso bewahren wie der als Mensch
selbst es thut, der sie geschaffen hat.
Gleichsam um das thatsächliche Vorhandensein der
beiden 'Welten aufzuzeigen, sei hier der Ausgang von der
Darstellung ihres achtungslosen Nebeneinanderhergehens
genommen: mit einem Blicke eröffnet sich ihr beiderseitiges
Dasein, ohne daß sie miteinander in Beziehung traten.
Nach der ernsten Seite zeigt es uns ein Ölbild (N. 29)
und wohl noch schöner ein Aquarell (N. 50), das denselben
Gegenstand, etwas anders geordnet, wiedergiebti Am
Waldessaume reitet der Ritter und schaut sehnsüchtig nach
dem fernen Schlosse, in die weite Landschaft, über welcher
sich glückverheißend der Bote des Friedens, der Regenbogen,
ausspannt. Im Waldesdüster des Vordergrundes aber sprudelt
ein labender Quell, an welchem Nixen einen weißen Hirsch
tränken. Ahnungslos, daß hier eine das irdische Leben über-
ragende Existenz Wirklichkeit geworden ist, reitet der
Mensch vorbei, dem der Sinn verschlossen ist. Das Tier
' Die den tolgenden Beispielen beigesetzten Nummern beziehen
sich auf den vom Freien Deutschen Hochstift bei Gelegenheit der von
ihm zu Frankfurt a. M. im Mai 1887 veranstalteten Schwind-Ausstellung
herausgegebenen Katalog, welcher 830 Nummern aufweist. Die Werke,
welche ein klares Bild der Gesamtentwickelung des Meisters gaben,
sind dort sachlich genau beschrieben.