Monrrz vox
Scuwmn.
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giebt. So schaift sich die Romantik durch die Phantasie,
die von ihr als höchste Kraft gepriesene Seite des mensch-
lichen Geistes, eine höhere Welt und schreibt ihr naiver
Weise nicht nur überhaupt eine wirkliche Existenz zu: sie
betrachtet sogar diese Existenz als die einzig wahre, welcher
gegenüber die gewöhnlich als Wirklichkeit aufgefaßte Welt
als eine nichtige erscheint. In der Kunst wird diese als
die prosaische, nüchterne, banale behandelt, jene dagegen
als die poetische, gemütvolle, erhabene gepriesen. Die
irdische Existenz ist daher in zwei Richtungen möglich:
sie istssehnsuchts- und ahnungslos und fühlt sich in ihrer
Gewöhnlichkeit tinsäglich wohl, oder sie ist sehnsuchts-
und ahnungsvoll und fühlt sich in ihrerSehnsuchtunglücklich.
Derronaantische Dichter nun, welcher jener höheren Existenz
die wahre Realität zuschreibt, schildert die sehnsuchtslose
irdische Existenz als das Verweriiiche, die sehnsuchtsvolle
als die einzig wertvolle. je nach seiner Stimmung wird
er die sehnsuchtslose Existenz der sehnsuchtsvollen gegen-
über als die einfach lacherliche preisgeben, oder sie als die
verwerHiche, böse brandmarken. Seine Darstellung wird
danach komisch oder tragisch werden, und in der tragischen
Darstellung wird er die überlegene Ironie nicht unterdrücken
können: die aus dem Widerspruch der beiden Existenzen
sich ergebende Ironie ist daher von der Romantik geradezu
als das Wesen der Tragödie aufgefaßt worden. Tritt bei
dem Dichter statt des scharf richtenden und vernichtenden
Verstandes das Gemüt in den Vordergrund, so äußert sich
die Empfindung des Gegensatzes eines hohen, sehnsuchts-
vollen Strebens und des Widerstrebens der kleinlichen
irdischen Verhältnisse in dem Humore, der außer zum
Lachen auch zu 'I'hriinen führen kann, aber nicht zu solchen,
welche aus der VerzweiHung an einem Ausgleich hervor-
brechen, sondern zu solchen, in welchen das sanfte Gemüt
seine leidende, ergebungsvolle Wehmut ausströmen liißt.
Auf diesem romantischen Boden schafft auch Schwind.
Es ist jedoch von vorneherein zu beachten, daß, während
bei Friedrich Schlegel, Tieck, Jean Paul das dichterische
Können dem Wollen nicht entsprach und keiner von ihnen
Werke geschaffen hat, bei welchen es einem geskund em-
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