190
ADRIAN
RICHTER.
LUDWIG
Ludwig Richter-Ausstellung des Freien Deutschen Hoch-
stiftes zu Frankfurt am Main 1886) bezeichnen. Greis
und Greisin, Eltern und Kinder, Hund und Rabe, Sing-
vögel und Früchte an den Bäumen, und über allen der
heitere Himmel, die klare Luft, das liebliche Licht
ein köstlicher Zusammenklang aller Elemente der Natur
und des Lebens! Noch tiefer erfaßt Richter aber die
Natur, wenn er sie in ihrem geheimsten Schaffen belauscht
das er in tiefster NVeise versteht. Einst sieht er eine gelbe
johannisblume: es faßt ihn wie eine Vision. vWie ein
lichter Blick in das Wesen, in den Geist der Blume; ihre
Schönheit als Ausstrahlung einer höheren Welt geistiger
Leiblichkeit empfundena (II, S. 157). So spricht er zu
uns in dem Waldmärchen (Nr. 593). Da rauscht das
Wasser: die Eichhörnchen, das Reh, die Vögel, die Blumen,
alles freut sich und blüht am buschigen, versteckten
Plätzchen im Walde. Mitten darin sitzt, wie die Verkör-
perung der XValdnatur und ihres geheimnisvollen, keimendeti
Lebens, ein blühendes Mädchen, noch halb Kind, und
sinnend hinausschauend bricht sie die blaue Blume.
Und dieser Einklang ruht auf tiefem Grunde. In Rom
hat Richter außer den großen Meistern der Kunst einen
engeren Freundeskreis gefunden, der auch aus Künstlern
bestand, die ihn aber mehr auf einem anderen Gebiete als
dem der Kunst förderten. Unxtergeßlich bleibt es ihm,
wie in der Neujahrsnacht 1824 auf 1825 sich die Herzen
in der gemeinsamen religiösen Überzeugung zusammen-
fanden, wie ihm selbst hier das Wesen der Religiosität
zum ersten Male sich ganz offenbarte und ihm zu einem un-
verlierbaren Gute wurde. Im Verkehre mit diesen Freunden,
den beiden Frankfurtern Hoff und Thomas, ferner May-
dellf, Oehme und Peschel fand er den festen Glauben an
das liebevolle Walten der Gottheit, der ihn seitdem beseligt
1 Siehe Ludwig von Maydells Porträtzeichnuxlg von Carl Peschel
S. 191. Näheres über Maydell in den nLebenserinnerungem S. 180.
2169i. Maydell war es, welcher Richter bei seiner Abreise von Rom
das letzte Geleit gab und ihn noch allein eine Strecke weit begleitete
(S- m)-