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RICHTER.
ADRIAN LUDWIG
er sich teils an frühere Vorbilder, besonders Dürer, an-
schloß, teils aber auch über diese hinausging und so der
lange vernachlässigten Technik neue Bahnen eröffnete,
und freudig erkannte er in ihm das willkommenste Aus-
drucksmittel für seine Kunstschöpfungen. Von ihm lernten
eine Reihe unserer bedeutendsten Holzschneider die edle
Kunst, die dazu bestimmt ist, die höchsten Schöpfungen
der Kunst zu einem Besitztume aller zu machen. Bald
schlossen sich an solche Illustrationen selbständige Werke,
zunächst die nStudenten-, jäger- und Volksliedera. Damit
war der Weg gefunden, auf welchem der Künstler seine
seelenvolle Natur eigenartig mitteilen konnte. In welcher
Weise Richter damit zur Förderung aller guten Keime im
deutschen Volke beigetragen hat, wie es ihm gelungen ist,
eine Fülle von Gestalten der deutschen Dichtung, der Sage,
des Märchens mit sicheren und Linvergeßlichen Zügen in
das Herz des Volkes zu schreiben, wie er die Seele des
Kindes erfreut und seine Phantasie mit Gestalten bevölkert,
wie er dem reifen Alter an das Herz zu greifen, das Ge-
müt zu bewegen versteht, das alles weist gerade sein
Holzschnittwerk aus, der bekannteste und verbreitetste Teil
seiner zahlreichen Schöpfungen. In ihm vor allem zeigt
sich außer dem scharfen Beobachter, dem vortreHiichen
Zeichner und Charakteristiker, dem Humoristen, besonders
der herzensgute, edelgesinnte Mensch, welchem die För-
derung der Kunst ohne Veredelung des eignen Inneren nicht
denkbar ist, der ebenso eifrig wie an seinem äußeren
Werke, an seinem Herzen, an seinem Geiste arbeitet: so
allein hat er es möglich gemacht, eine Fülle von Herzens-
und Geistesbildting sich zu erarbeiten und uns nach allem
Schönen, das er mit dem Stifte geschaffen, noch die köst-
liche Gabe seiner nLebenserinnerungentr zu spenden, jenes
schöne Buch, in welchem uns der gedankenvolle, phan-
tasiereiche, gemütstiefe Mensch so vollendet erscheint und
in dem er die Feder nicht minder meisterhaft führt als
früher den Stift.
Durch all dieses reiche Schaden geht aber ein Zug,
der Richter hoch über viele seiner Mitstrebenden stellt,
den wir überall herausfühlen und der sich in der That am