LUDWIG RICHTER.
ADRIAN
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arbeitet werden, sodaß nicht die Nachahmung der einzelnen
Naturerscheinting, sondern der Aufbau einer neuen Lebens-
erscheinung auf Grund genauester Kenntnis der Natur-
wahrheit und der durch die Natur ermöglichten Gestal-
tungen, das Ziel der Kunstübung ist.
S0 lagen die Dinge als Richter (geb. 1803) heranwuchs,
ohne von dieser Lage auch nur die entfernteste Ahnung zu
haben. Bei seinem Vater, der selbst Zeichner und Kupfer-
stecher war, trat der Knabe ganz selbstverständlich als
Lehrling ein und behandelte ebenso selbstverständlich das
Gebiet, auf welchem sein Vater arbeitete, die Landschaft.
Der Sohn lernte von dem Vater, was dieser selbst von Adrian
Zingg gelernt hatte, dem echten Akademiker in dem oben
bestimmten Begriffe des Wortes. Eine sichere Handfertig-
keit in einer scharf bestimmten Manier des Zeichnens und
des Tuschens (Lebenserinnerungen I, S. I) war das Ziel;
die schablouenmäßigen Formen der ngezackten Eichen-
maniera oder der ngertindeteti Lindenmaniem (S. 41)
wurden als stereotype Formeln eingeschult, dagegen die
unmittelbare Anschauung, welche zu einem lebendigen
Naturgefühl hätte führen können, geiiissentlich ferngehalten.
So wuchs der junge Richter zu dem heran, was man einen
Vedutenzeichner nennt: er kopierte in hergebrachter Manier
einzelne bestimmte Stücke der Landschaft in porträtartiger
Treue, ohne es damit zu einem Bilde zu bringen, welches
eine eigene selbständige Auffassung oder Empfindung hatte
durchfühlen lassen. Als er endlich zum Malen kam, ging
es nicht anders: Graff und Schubert, welche ihm die An-
fänge beibringen sollten, wußten auch nicht mehr als den
herkömmlichen vBaumschlaga zu machen, der für alle
Bedürfnisse ausreichen mußte und der Landschaft ein
schablonenhaftes Aussehen gab. Hie und da machten sich
aber schon die neuen Bewegungen geltend, die auf der
Wiener Akademie die Jugend gegen die überlieferte Methode
in Kampf führte, und bewundernd blickte der junge Maler
zu den jünglingen auf, welche wirkliche Naturstudien
machten. Dann, als Richter als siebzehnjahriger Zeichner
den Fürsten Narischkiti nach Frankreich begleitete, hörte
er zum ersten Male von Cornelius und der neuen deutschen
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