Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

168 PHILIPP VEIT. 
 
verkannt war. Dahin gehört besonders das von der Stadt 
für den Dom bestellte große Altarbild nMariä Himmelfahrta 
welches sich jetzt in der Liebfrauenkirche behndet; und 
wie er schon früher in seinen für den Kaisersaal gemalten 
Bildern.(Karl der Große, Otto der Große, Friedrich II. 
und Heinrich VII.) gezeigt hatte, daß ihm keineswegs die 
Kraft fehle, das Individuum scharf zu charakterisieren, so 
bewährte er diese Seite seiner künstlerischen Befähigung 
in mehreren trefllicheti Frauenbildnissen (Frau Senator 
von Bernus und Frau Brentano). Am bedeutendsten möchte 
aber auf diesem Gebiete das noch nicht lange vom StädeFschen 
Institut angekaufte, schon in Rom entstandene Bild des 
Abbe Noirlieu sein, ein Porträt von trefilichster Charak- 
teristik des feinen, sinnigen Mannes, dessen Seele, wie ein 
tinerforschliches Meer zu immer neuer Betrachtung und 
Ergründting reizend, aus den durch feste Selbstbeherrschung 
zusammengehaltenen Zügen hervortritt, während wir die 
Empfindung nicht zurückzudrängen vermögen, daß sie im 
gegebenen Momente in mächtiger Flamme müsse auHodcrn 
können: Noirlieu war es, unter deßen Einiluß in Veit im 
Jahre 1817 zu Rom der Zweifel aufstieg, 0b er sich nicht 
selbst dem geistlichen Stande widmen solle. Darauf mag 
das Selbstbildnis Veits aus der römischen Zeit hindeuten: der 
Maler weist mit der erhobenen rechten Hand nach einer 
weit hinten in der Landschaft vorüberziehenden Prozession. 
Diese fehlt auf der Abbildung in Dorotheas v. Schlegel 
Briefwechsel B. II, wodurch Ausdruck und Handbewegung 
unverständlich werden. In sein eigentlichstes Fahrwasser kam 
der Künstler erst wieder, als ihm die Möglichkeit wurde, das 
kirchliche Epos für den Mainzer Dom zu schaffen, womit 
ihm ein langgehegter sehnlicher Wunsch erfüllt wurde, 
ähnlich wie seinem Freunde Cornelius, als diesem der Ent- 
wurf zu den Camposanto-Fresken aufgetragen wurde. Und 
wenn man auch nicht, wie bei diesem, sagen kann, daß 
dies letzte umfassendste Werk auch das größte des Künstlers 
sei, so ist es doch bedeutender, als vielfach zugestanden 
worden ist. Daneben aber fand der Meister noch vielfach 
Gelegenheit, in anderen Werken sein Können zu zeigen 
und durch sie frühere Verbindungen wieder anzuknüpfen,
	        
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