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verkannt war. Dahin gehört besonders das von der Stadt
für den Dom bestellte große Altarbild nMariä Himmelfahrta
welches sich jetzt in der Liebfrauenkirche behndet; und
wie er schon früher in seinen für den Kaisersaal gemalten
Bildern.(Karl der Große, Otto der Große, Friedrich II.
und Heinrich VII.) gezeigt hatte, daß ihm keineswegs die
Kraft fehle, das Individuum scharf zu charakterisieren, so
bewährte er diese Seite seiner künstlerischen Befähigung
in mehreren trefllicheti Frauenbildnissen (Frau Senator
von Bernus und Frau Brentano). Am bedeutendsten möchte
aber auf diesem Gebiete das noch nicht lange vom StädeFschen
Institut angekaufte, schon in Rom entstandene Bild des
Abbe Noirlieu sein, ein Porträt von trefilichster Charak-
teristik des feinen, sinnigen Mannes, dessen Seele, wie ein
tinerforschliches Meer zu immer neuer Betrachtung und
Ergründting reizend, aus den durch feste Selbstbeherrschung
zusammengehaltenen Zügen hervortritt, während wir die
Empfindung nicht zurückzudrängen vermögen, daß sie im
gegebenen Momente in mächtiger Flamme müsse auHodcrn
können: Noirlieu war es, unter deßen Einiluß in Veit im
Jahre 1817 zu Rom der Zweifel aufstieg, 0b er sich nicht
selbst dem geistlichen Stande widmen solle. Darauf mag
das Selbstbildnis Veits aus der römischen Zeit hindeuten: der
Maler weist mit der erhobenen rechten Hand nach einer
weit hinten in der Landschaft vorüberziehenden Prozession.
Diese fehlt auf der Abbildung in Dorotheas v. Schlegel
Briefwechsel B. II, wodurch Ausdruck und Handbewegung
unverständlich werden. In sein eigentlichstes Fahrwasser kam
der Künstler erst wieder, als ihm die Möglichkeit wurde, das
kirchliche Epos für den Mainzer Dom zu schaffen, womit
ihm ein langgehegter sehnlicher Wunsch erfüllt wurde,
ähnlich wie seinem Freunde Cornelius, als diesem der Ent-
wurf zu den Camposanto-Fresken aufgetragen wurde. Und
wenn man auch nicht, wie bei diesem, sagen kann, daß
dies letzte umfassendste Werk auch das größte des Künstlers
sei, so ist es doch bedeutender, als vielfach zugestanden
worden ist. Daneben aber fand der Meister noch vielfach
Gelegenheit, in anderen Werken sein Können zu zeigen
und durch sie frühere Verbindungen wieder anzuknüpfen,