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PHILIPP VEIT.
noch nicht in Gegensatz zu Veit gebracht haben wir
brauchen nur an Rethel zu denken, der gerade unter Veits
Leitung seiner Vorliebe für die weltliche Geschichtsmalerei
freien Spielraum gewähren durfte. Aber Rethel blieb auf
dem gemeinsamen Boden des allumfassenden volkstüm-
lichen Interesses: Lessing sagte sich davon los, indem er
in die Zeit der das Volk zerspaltenden Kämpfe griff und,
was für Veit entscheidend war, diese Kämpfe mit so
tendenziöser Schärfe darstellte, daß an eine wahrhaft reli-
giöse Grundstimmung als die eigentliche Quelle der
Kunstschöpfting nicht mehr gedacht werden konnte. Dazu
kam die starke Betonung des Kolorits, in welcher Lessing
wohl schon den EinHuß der neuen belgischen Schule ver-
rät, die übertriebene Hervorhebung der realistischen Seite
und, speziell bei dem in Frankfurt in Frage stehenden Huß-
bilde, die karikaturartige Auffassung der gegnerischen
Seite, welche die auf dieser Seite Stehenden nur abstoßen
konnte. Und in der That möchte Lessings nHuß vor dem
Konzilecc, der aber nicht vor dem Konzile, sondern vor
einer beliebig erfundenen, keine Entscheidung herbeiführen-
den Vorversammlung ohne oihzielle Bedeutung steht, die
Bezeichnung eines Geschichtsbildes kaum verdienen. Wo
ist hier die Erfassung des wichtigen, entscheidenden,
mit Thaten gesättigten und Thaten gebärenden Momentes,
dessen Darstellung die Atlfgabe des Geschichtsbildes ist? ja,
wenn die lebensgroße Wiedergabe geschichtlicher Personen
das Anrecht auf diese Benennung gäbe! Dieser Huß ist aber
nur ein tendenziöses Genrebild mit geschichtlicher Grund-
lage in lebensgroßen Figuren, und wenn eine solche
Schöpfung als Höhepunkt der Geschichtsmalerei aufge-
faßt und gepriesen, wenn sie als Mttsterwerk für die heran-
reifende Künstlerschaft in die Galerie eingereiht wurde,
da hatte allerdings Veit an einer solchen Anstalt nichts
mehr zu thun, die den Lebensnerv seines künstlerischen
Wesens achtungslos durchschnitt. Zudem war dies nicht
die erste Mahnung einer anderen, ihren Platz verlangenden
Zeit. Schon 1841 war Jakob Becker aus Worms als
Lehrer an das StädeFsche Institut berufen, ein Künstler,
der eines wohlverdienten Rufes auf dem Gebiete des