PHILIPP VEIT.
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Klosterbrtidersa, welche, von YVackenroder geschrieben,
nach dessen frühem Tode von dem ihm innig befreundeten
Tieck herausgegeben wurden. Auch hier soll die Richtung
keine theoretische bleiben, sondern wirklich und thatsächlich
gelebt werden. Es wird klar ausgesprochen, ndaß, wo
Kunst und Religion sich vereinigen, aus ihren zusammen-
Hießenden Strömen der schönste Lebensstrom sich ergießm
Die praktischen Konsequenzen konnten um so weniger
ausbleiben, als für diese Richtung nicht nur Kunst und
Religion, sondern ebenso auch Religion und Kirche eine
Einheit bildeten, und zwar selbstverständlich die Kirche,
welche zu der Zeit, für die man schwärmte, im vierzehnten
und fünfzehnten Jahrhundert, die alleinbestehende und all-
gemein anerkannte christliche Kirche war. In den nHerzens-
ergießungena findet sich ein Brief, der von einem nztch Rom
gegangenen Schüler Dürers an einen in Nürnberg zurück-
gebliebenen Freund geschrieben gedacht ist. Der In-
halt dieses Briefes ist für die nächste Zeit geradezu ver-
hängnisvoll geworden. Der jünger der Kunst schildert
darin den überwältigenden Eindruck, Welchen auf ihn der
römische Kultus mit seiner bestrickenden Musik, mit seinen
heiligen Gemälden gemacht habe, ein Eindruck, dem er
sich nicht wieder habe entziehen können und der ihn in
den Schoß der römischen Kirche getrieben habe. Es ist
eine Schilderung, wie sie ähnlich und vielleicht nicht un-
beeinflußt Schiller seinen Mortimer machen läßt. Aber
Schiller verwendet ein künstlerisches Motiv: des erdichteten
jungen Künstlers Begeisterung sollte ein Vorbild für seine
lebenden Genossen, sollte Fleisch und Bein werden. Ein
merkwürdiges Beispiel hierfür bietet Gottlieb Schick, dessen
ursprüngliche klassische Richtung am vollendetsten in seinem
schönen, in Stuttgart behndlichen Bilde nApoll unter den
Hirtena ausgesprochen ist. Mächtig ergriffen durch diese
neue Bewegung der Geister, verläßt er das Gebiet, auf dem
er Großes geleistet hatte, und wendet sich in der letzten
Zeit seines kurzen Lebens der religiösen Richtung zu, der
sein letzter, nicht zur Ausführung gelangter Entwurf ent-
sprungen ist: njesus Christus, in dem Alter zwischen Knabe
und jüngling, schläft auf Wolken über der Erde erhaben