.142 EINE FRANKFURTER KUNSTAKADEIKIIE IM xvm.
IAHRHUNDERT.
der Adlersfittiche fühlt, der bleibe eine kriechende
Schnecke: wen edle Ruhmbegierde nicht reizt, ist ein
plumper Klotz und zu unserer Akademie weiter nicht
dienlich als nur wie eine lebendige Statue vor uns zum
Muster zu stehen; denn uns nützt an ihm weiter nichts
als der Körper. Er ist Maschinect. Die Schüler müssen
num der Natur getreu zu bleibenu sich mit verschiedenen
Wissenschaften bekannt machen, ja ndie Natur muß über-
haupt ihre Schätze vor uns aufschließen wenn wir sie ge-
treu schildern sollena. Geschichte, Erdkunde, Altertümer
müssen studiert werden. Aber nwir müssen die Welt nicht
in unserem Zeichenstübchen allein sehen; unser gesittetes
Betragen, unser unschuldvoller tugendhaftei- Lebenswandel
wird uns den Umgang mit Leuten verschaffen, die mehr
sind als wir; diese werden uns zu noch grössern führen,
und da werden wir würdige Scenen des Lebens sehen, die
denjenigen verborgen waren, deren Schilderungen sich nur
auf die Bilder betrunkener Bauern einschränkten. In der
niedrigen Classe des Pöbels werden wir nie einen Helden
des Alterthtims, einen Conde zur Zeit der Ligue zeichnen
lernen. Sind wir einmal in unsern erlernten Grundsätzen
vest, dann ist es Zeit, den Ursprung, die Quellen, die
Mischung der Farben näher kennen zu lernen, der Natur
die Vortheile abzulauschen und nicht jedes Gewand nach
dem Erdstücke zu kleiden, das uns der Materialist auf Treue
und Glauben verkaufte. Falsche Idealität und Befestigung
der Grundsätze und der Regeln vor dem Herantreten an
die Natur sind aber die beiden Hauptlehren der Akademien
jener Zeit und zugleich die Quellen der aus ihnen hervor-
gehenden Plattheit und Manieriertheit der Künstler und ihrer
Werke. Das gleichfalls zum Charakter jener Zeit gehörende
Kokettieren mit der nTugenda schlechtweg, nicht etwa
dieser oder jener bestimmten, sondern der nTugenda,
welche das Ergebnis der höchsten Sittlichkeit, des reinsten
Strebens sein müßte, wenn sie einen klaren Begriff repräsen-
tierte, spielt eine große Rolle. In seiner ganzen Unwahr-
heit tritt es in der Anrede des Scholaren an die Mitschüle-
rinnen hervor: der wirklich Tugendhafte, der wahrhaft
Unschuldvolle ist es in naiver Weise: wer den Gegensatz so