WERKEN HELLENISCHER
TRAGIK
DIE
PLASTIK.
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Gegenwart empiindbare sein müssen, so daß gerade in der
Plastik der Übergang von der Wirkung durch seelische
Leiden zu der Wirkung durch körperliche rascher und ent-
schiedener auftreten mag als in der Malerei, zumal wenn
eine erhöhte Technik, sowie eine genauere Kenntnis des
menschlichen Körpers zu immer kühneren Darstellungen
verlockt, die in demselben Maße, in welchem sie sich in
den Vordergrund drängen, das seelische Leben bei Seite
schieben. So tritt an die Stelle des tiefen Seelenleides
der Niobe das körperliche des Laokoon, an Stelle der gött-
lichen Strafe in diesen beiden Werken die menschliche in
der Gruppe der Dirke, und in den Galliergruppen soll uns
schon die nackte Thatsächlichkeit des Todes in der Schlacht
tragisch ergreifen. Dementsprechend ist es auch vor allem
die Kühnheit in der Konzeption, die staunenswerte Technik,
welche alle diese Werke in erster Linie charakterisiert,
nicht aber tragische Gewalt und Tiefe. An sie aber reiht
sich, zeitlich und seinem inneren Gehalte nach, der mächtig
packende Gigantenfries an, der sich auch unter diesem Ge-
sichtspunkte naturgemäß in den Gang der kunstgeschicht-
liehen Entwickelung fügt, deren Erkenntnis er für eine bisher
durch Neuschöpfungen weniger bekannte Epoche in be-
deutungsvoller und ergebnisreicher Weise erweitert hat.
Van" VALENTIN.