Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

D15 TRAGIK m VVYERKEN HELLENXSCHER PLASTIK. 
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aus den Voraussetzungen seiner durchaus selbständigen Kunst 
heraus. So ltier: soll die volle Wucht des Schrecklichen em- 
pfunden werden, so darf der Gedanke an die Möglichkeit 
eines Entrinnens nur aufblitzen, um alsbald durch die 
Vorstellung des göttlichen Urhebers der Strafe zurück- 
gedrängt zu werden. Daß er aber überhaupt aufleuchten 
kann, ist eine wesentliche Bereicherung in der Durch- 
arbeitung der von dem Künstler beabsichtigten Grund- 
emplindting. Diese soll sicherlich die tragische sein. Sie 
ist es jedoch nicht. 
Es wird in neuerer Zeit behauptet, auch diese Kom- 
position gehe auf ein Drama zurück und zeige uns dessen 
Katastrophe. Laokoon habe sich im Tempel gegen die 
Gottheit durch Entweihnng des heiligen Raumes vergangen; 
die Strafe sei aufgeschoben worden, bis die Söhne heran- 
gewachsen wären, um dann den Vater durch Herein- 
ziehung der Söhne um so härter zu treffen. Von 
Laokoons Eingreifen am Tage vor "froias Untergang sei 
dagegen keine Rede. Wäre dies richtig, so läge in der 
That eine Schuld, ein Verbrechen vor, welches seine ent- 
sprechende, wenn auch rttfhniert durchgeführte Strafe er- 
hielte. Von einer Tragik könnte alsdann gar keine Rede 
sein: eine verdiente Hinrichtung ist traurig, erschütternd, 
aber nicht tragisch. Bleiben wir dagegen bei der früheren 
zltifliassung, so verhalt sich die Sache anders. Laokoon 
fürchtet dem Geschenke der Griechen gegenüber Verrat, 
er greift ein, getrieben von glühender Vaterlandsliebe. 
Sein Auftreten ist durchaus berechtigt, unsere Sympathie 
ist auf seiner Seite. Er laßt sich aber so weit hinreißen, 
daß er das als Heiligtum bezeichnete Pferd verletzt. Fast 
wird der Betrug enthüllt, und damit wäre ein Eingriff in 
den Willen der Gottheit erfolgt, welche, dem Schicksals- 
schluß entsprechend, den Untergang der Stadt befördert 
und nichts Störendes dulden darf. Da räumt sie rücksichts- 
los, wie es der Gang des ehernen Schicksals erheischt, 
das Hindernis weg; das individuell Berechtigte, von unserer 
Sympathie Begleitete muß vor dem Allgemeingiltigeir 
weichen und, da es durch einseitige Betonung seiner Be- 
rechtigung in den Gang des Ganzen eingreift, zu Grunde
	        
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