DIE TRAGIK m WERKEN HELLENISCHER PLASTIK. {I7
haft erschütternder Anblick! Und um ihn zu erhöhen, die
vollendetste Naturwahrheit in der Körperbildung, eine
Individualisierung der Formen, die uns porträtartig anmutet
und doch nicht die Heraushebung der Persönlichkeit aus
der Fülle gleichartiger Individuen erreicht. Es ist eben
doch nur irgend ein Gallier, irgend ein Tod, wie er sich
oft genug wiederholt haben mag, der uns mit einem Schlage
das Schicksal von Tausenden vor Augen führt, bei welchen
jedoch in dem Maße, wie er verallgemeinert ist, auch das
individuelle Interesse sich verringert.
Auch in diesen beiden Werken versäumte der Künstler
nicht, unsere Vorstellung realistisch durch Blut und Wunden
zu berühren: aber wir werden zugleich in das seelische
Leben geführt, das sich in der wilden Entschlossenheit
und in der finsteren V erzweiiiung abspiegelt und uns den
Zusammenbruch froher Hoffnung, die nutzlos gewordene
Überwindung von Kampf und Gefahren, die Enttäuschung
des oft erfüllten Siegesbewußtseins ahnen läßt. Der Mangel
einer vollständig zum Ausdrucke gekommenen Einzelperson-
lichkeit, während doch zugleich nur einzelne Individuen
dargestellt sind, verleiht ihnen ferner um so leichter eine
typische Bedeutung und läßt uns in diesem Einzeluntergange
den Untergang eines ganzen Volkes erblicken, wodurch
unser Gemüt noch tiefer ergriffen wird, obgleich dieses
Volk zur Rettung der Kultur untergehen mußte. Es ist
ein Griff in die Saiten des allgemeinen Menschengeschickes,
und der Klang ist ein tieftrauriger. Aber auch hier gelangt
das Tragische nicht zum Durchbruch. Wir sind auch hier
auf einer Vorstufe, auf Welcher zwar das körperliche Leiden
nicht mehr einseitig in den Vordergrund tritt, sondern
ein seelisches Leiden zum Ausdruck bringt, ohne jedoch
seine Bedeutung als selbständiges und in seiner VVirkting
wohlberechnetes Element aufzugeben.
Diese Verwertung des seelischen Leidens neben dem
körperlichen zur Erzielung einer Schmerzempfindung scheint
in der weiteren Entwickelung dieser hier zu so bedeutenden
Äußerungen gelangten Kunstrichtung bald wieder zurück-
getreten zu sein, um der Wirkung durch das körperliche
Leiden den unbestrittenen Vorrang zu lassen, dem Drange