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TRAGIK m WERKEN
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PLASTIK.
HELLENISCHER
und ganzen nach anderer Seite zielenden Gesamtwirkung,
sondern als der eigentliche künstlerische Zweck des Werkes
deutlich hervor. Und in der That ist auch der Künstler
diesem Ziele hier näher gekommen. Dasindividuellelnteresse
ist zwar nicht vollständig da: wir sehen eben auch nur
irgend einen, nicht diesen besonderen Menschen; aber es.
ist durch den Umstand erhöht, daß wir es überhaupt nur
mit einzelnen Menschen und ihrem Geschicke zu thun haben,
daß sich das Interesse auf diese konzentriert, nicht aber
durch andere Persönlichkeiten abgezogen wird. Die Schmerz-
empfindung gewinnt daher Wenigstens etwas der persön-
lichen Teilnahme Ähnliches, kann aber doch nicht die volle
Kraft der Teilnahme gewinnen, die aus dem Widerstreit
mit einer nur dieser besonderen Persönlichkeit zukommen-
den Berechtigung entspringt: sie bleibt auf der Stufe des
allgemeinmenschlichen Mitleides stehen. Zudem wird sie
durch die Vorstellung beeinträchtigt, daß wir es in beiden
Fällen mit Menschen zu thun haben, deren Tod als eine
Befreiung, eine Erlösung erscheint und somit auf uns als
eine Beruhigung wirken muß. Soll demgegenüber dennoch
Sympathie erweckt werden, so kann dies wiederum nur
durch die besondere Art des Todes geschehen, in welcher
am deutlichsten das individuelle Element sich ausspricht..
Dies ist in beiden Fällen meisterhaft erreicht. Da ist der
Mann gezwungen, das eigene Weib zu töten, um sie vor
Sklaverei zu retten und wie ergreifend ist das Zusammen-
brechen der Sterbenden ausgedrückt! Er selbst legt Hand
an sich: aber sein Tod ist zugleich ein Triumph über seine
Feinde, denen er die gehoifte Beute im letzten Augen-
blicke entreißt. Noch tiefer erfaßt uns der verzweiiiungs-
volle einsame Selbstmord des kapitolinischen Galliers. Alle
Hoffnung, nicht nur auf Sieg, sondern auch nur auf Rettung,
ist zerstört: da tötet er sich selbst, und langsam sinkt der
widerstrebende Körper dem Hießenden Blute nach; kaum
trägt ihn noch der trefliich ergänzte rechte Arm
schon geknickt, wird er im nächsten Augenblicke zusammen-
brechen. Dazu der tiefschmerzliche, jeder Hoffnung bare,
ganz in Kummer getauchte Ausdruck des Gesichtes, das
aus allen Gliedern sichtlich schwindende Leben ein wahr-