D11: TRAGIK m WERKEN HELLENISCHER PLASTIK.
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erhält, weit unter dem bleibt, was die vergeltende Gerechtig-
keit verlangen müßte. Träte an Stelle dieses Mißverhält-
nisses, welches gerade die Quelle unseres tragischen Mitleides
ist, das der Vernunft entsprechende richtige Verhältnis von
Überschreitung und Strafe, so wäre zwar unser Verstand
befriedigt, unsere Erregung und Empörung beruhigt, aber
von einer ästhetischen Empfindung wäre keine Rede mehr,
geschweige denn von einer tragischen. Wenn daher der
Versuch gemacht wird, einen Kriminalfall ästhetisch zu
verwerten, so ist neben der vielleicht erreichten Befriedigung
durch die Beschäftigung des Verstandes in der Verfolgung
der Intrigue, sowie durch die Erfüllung dessen, was die
Vernunft verlangt, die unausbleibliche Schlußemplindung
die der Abspannting, die in schrolfem Gegensätze steht zu
dem durch die Befreiung von einer absichtlich herbeige-
führten Schnierzempfindung entstehenden Wohlgefühl, in
dessen schließlicher Erweckung unsere Freude am Tragischen
ihren Grund hat.
So entwickelt sich die Freude am Schmerze oder richtiger
an der durch willkürliche Schmerzherbeiführung und seiner
Wiederentfernung erreichten Befreiung vom Schmerze von
einer rein körperlichen zu einer rein seelischen Empfindung
auf einer Reihe von Stufen bis zu der höchsten, der Tragik.
Es wird daher möglich sein, Werke, welche sich dieses
Mittels der Erregung einer Schmerzemplindung zur Er-
reichung einer ästhetischen Wirkung bedienen, dadurch
in ihrer ästhetischen Bedeutung richtig zu würdigen, daß
ihre Zugehörigkeit zu einer oder der anderen dieser Stufen
nachgewiesen wird. Dies soll nun mit den pergamenischen
Statuen geschehen.
III.
Für die zu dem pergamenischen Weihegeschenk auf der
Akropolis zu Athen gehörigen Reste muß zunächst hervor-
gehoben werden, daß infolge des Zufalles, der uns als sicher
zugehörig nur Unterliegende und Erschlagene erhalten hat,
das Urteil sich leicht dahin verschieben könnte, als ob
die Betonung dieser das Leiden darstellenden Seite des
Kampfes das Hauptziel des Künstlers gewesen wäre. Inner-
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