Volltext: Über Kunst, Künstler und Kunstwerke

IO4 DIE TRAGIK m WERKEN HELLENISCHER PLASTIK. 
 
entgegen, welche derselben Zeit und denselben Ereignissen 
ihre Entstehung verdanken; ja in diesen können jene Em- 
pfindungen um so konzentrierter zur Geltung kommen, je 
weniger die Aufmerksamkeit durch die Mannigfaltigkeit" 
einer großen Gruppe zersplittert wird, wie es ursprünglich 
bei des Königs Weihegeschenk der Fall gewesen sein muß, 
das jedoch andrerseits durch Wiederholung derselben 
Grundempfindting in den manuigfaltigsten Wendungen für 
die bei dem Einzelwerke mögliche Versenkung in eine 
einzige Empfindung wieder Ersatz bot. Dagegen konn- 
ten nicht wie hier die Empfindungen zerlegt und einzelne 
Figuren zu Trägern der einen, andere zu Trägern der 
anderen Empfindung gemacht werden, wie es in den großen 
Gruppen des Weihegeschenkes in der That geschehen ist. 
So sehen wir denn in dem Gallier mit seinem Weibe in W112i 
Ludovisi, wie der Künstler durch Mord und Selbstmord 
erschüttern will, und zwar ist es der Mann, der sein eignes 
Weib tötet. Geschwächt wird freilich diese Empfindung 
der Erschütterung dadurch, daß der Mord bereits geschehen 
ist, der Selbstmord also nur als eine selbstverständliche, 
man kann fast sagen, versöhnende Konsequenz sich ergiebt. 
Um so "mächtiger tritt das Mitleid in sein Recht, das 
Mitleid mit dem Manne, der, um sich undisein Weib vor 
der Sklaverei zu retten, zu diesem Äußersten gedrängt 
wird, das Mitleid besonders mit der Frau, deren todes- 
mattes Zusammenbrecheti der Künstler meisterhaft zum 
Ausdruck gebracht hat. Ebenso ist bei dem sterbenden 
Gallier auf dem Kapitole das Erschütternde zwar vorhanden: 
der am Siege, ja selbst an der Rettung Verzweifelnde tötet 
sich selbst; aber auch hier tritt das Mitleid durchaus als 
die herrschende Empfindung hervor, und zwar getrübt 
durch die Bitterkeit des Schmerzes, mit welcher der Be- 
siegte in den Tod sinkt. 
Erschütterung und Mitleid, die hier überall hervor- 
stechenden Ziele der Wirkung der Künstler, sind Elemente 
der tragischen Empfindung. Die tragische Empfindung 
ist nach der ernsten Seite hin zweifellos der höchste Grad der 
künstlerischen Wirkung, und man wird annehmen dürfen, 
daß Künstler von der Bedeutung der Schöpfer dieser Werke
	        
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