EIN GRUNDPROBLEM DES KUNSTGEWERBES. 85
Thones sowie die Schwierigkeit bei der immer neuen Mo-
dellierung jedes einzelnen Stückes treten hindernd ein.
Aus beiden Gründen erscheint die undurchbrochene glatte
Wandung der Natur des Stoffes und der gewöhnlichen Art
der Herstellung des Gefäßes auf der Scheibe allein ent-
sprechend. Soll das Gefäß dennoch nachahmende Bedeu-
tung haben, so bietet gerade die glatte Wandung ein gutes
Mittel, durch Einritzung oder durch Farbenauftrag an die
Form des Vorbildes zu erinnern. Gerade weil aber hierdurch
nur erinnert, nicht getäuscht werden soll, gewinnt diese
nachbildende, erinnernde Form volle Freiheit der Entwicke-
lung, die allmählich zu einer solchen Selbständigkeit und
Unabhängigkeit führt, daß die Art der Entstehung mit der
Zeit vollständig verdunkelt wird.
An Stelle des Thones soll das verwandte Porzellan
treten. Bei ihm tritt die Herstellung durch Formen ein.
Infolge dieser Art der Gestaltung macht ein durchbrochenes
Geräte keine besonderen Schwierigkeiten; wohlaber wird das
nachahmende Flechtwerk bei der gebrechlichen Natur des
Stoffes durch diese Technik eine Veränderung erleiden. Die
einzelnen Flechten müssen mehr Körper haben, um nicht
zu leicht zu zerbrechen. Sie werden daher kräftiger und
rundlicher werden als die flachen Stränge des ursprüng-
lichen Flechtwerkes. Freilich wird hierdurch eine größere
Schwere bewirkt; diese ist aber doch nicht so groß wie
bei der entsprechenden Metallmasse und daher dem Gebrauche
nicht hinderlich.
Das Glas ist eine leichtflüssige Masse bei der Ver-
arbeitung. Es könnte daher technisch sehr wohl zu gleicher
Form gebracht werden, allein die Haupttugend des Glases
für den Anblick, seine Durchsichtigkeit, fiele für die
ästhetische Wirkung vollständig weg. Soll aber die
Durchsichtigkeit zur Geltung kommen, so bedarf es der
Flächen; es wird also hier wieder die Wandung in ihr
Recht treten, jedoch aus einem ganz anderen Grunde als bei
dem Thone. Aber wie bei diesem, bietet die Wandung
die beste Gelegenheit für Einritzung und Aufmalung von
Zeichnungen, welche an die ursprünglichen Formen er-
innern können, sich aber meist wohl lieber der gewonnenen