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EIx
DES
GRUNDPROBLEM
KUNSTGEWERBES.
allerelementarste ästhetische Freude vernichtet, welche aus
der einfachen Thatsache der Erkenntnis der Bildlichkeit
entspringt. Es geht hier wie in der Bildkunst. Sobald
eine Wachsfigur so vollendet ist, daß die Täuschung, die
Verwechslung mit der Wirklichkeit eintritt, so beginnt
diese elementare ästhetische Freude erst in dem Augen-
blicke, in welchem diese momentan erreichte Täuschung
als solche ins Bewußtsein tritt und nun das Staunen über
die Vollendung der Nachbildung beginnt. Ist aber die
Täuschung erkannt und so jene auf der Erkenntnis der
vollendeten Nachahmung beruhende, in der That nur kind-
liche Freude erreicht, so kommt bei der Bildkunst die
besondre Wahl des Stoffes nicht weiter als entscheidend
in Betracht: wir wissen, daß jede bildliche Nachahmung
sich eines dem ursprünglichen Stoffe fremden Materials
bedienen muß, der seine Aufgabe erfüllt hat, wenn er die
Nachahmung erreicht. Bei dem Kunstgewerbe ist das
anders. Der Gegenstand soll, auch nachdem die Täuschung
erkannt ist, ja eigentlich erst dann, zum Gebrauche dienen
und somit erst jetzt seinen eigentlichen Zweck erfüllen.
Dann ist aber bei täuschender Nachahmung von zweien
nur eins möglich: entweder entspricht der thatsächlich
gewählte Stoff dem gewollten Zwecke, dann widerspricht
diesem das nachgeahmte Vorbild, oder der Zweck ist
gemäß dem nachgeahmten Vorbilde gedacht, dann wider-
spricht dem Zwecke der wirkliche verwendete Stoff. ln
dem obigen Beispiele entspricht das HOlZkäSIClICD seinem
Zwecke als Nähkästchen: diesem Zwecke widerspricht das
gewählte Vorbild des Lederkoffers; sollte aber dessen Zweck
beibehalten bleiben, dann widerspräche der zur Nachahmung
wirklich verwendete Stoff, wozu hier noch der Abstand
der Größe käme. Die durch einfachen Stoffwechsel be-
wirkte Stofftäuschtmg ist also beim Kunsthandwerk deshalb
so schlimm, weil mit der Erkenntnis der Täuschung der
praktische Zweck des nachahmenden Gegenstandes nicht
aufhört, sondern erst anfängt, der nachahmende Gegenstand
also einem Gebrauche dienen muß, der dem nachgeahmten
Stoffe widerspricht. Man kann daher diese Stufe des Stoff-
wechsels als die niedrigste, als die dem künstlerischen