KUNSTGEWERBES.
DES
80 EIN GRUNDPROBLEM
stattfinden. Dies kann aber nur aus der Erkenntnis des
Wesens eines jeden der beiden Bestandteile entstehen.
Verhältnismäßig leicht ist dies bei der das Bildliche ge-
staltenden Form. Sie muß immer erkennbar bleiben, so-
lange sie ihren Zweck erreichen soll; sie kann daher nur
soweit nachgeben, als es die Erkennbarkeit ihrer Natur ge-
stattet. Viel schwieriger aber ist es bei dem Stoffe, dem
Träger der Form. Auch bei ihm muß die Eigenart seines
Wesens bewahrt bleiben: er muß als der Stoff, der er ist,
erkannt werden, und es darf ihm, um die Form wieder-
zugeben, nichts zugemutet werden, was seiner Natur
widerspricht. Diese liegt aber nicht auf seiner Oberfläche,
welche zudem für die fremde Form in Anspruch genommen
wird: sie liegt in seinem Innern, in der Art seines Wachs-
tums, seiner Existenz, seiner wesentlichen Eigenschaften.
Es entsteht hieraus die sehr schwere Aufgabe, sich in die
Natur des Stoffes hineinztifühlen: wenn er, der tote, nun
lebendig und gleichsam mobil werden soll, um in neuer,
ihm ursprünglich fremder Form ein neues Dasein zu
gewinnen, so muß dies so geschehen, daß damit zugleich
seine innerste Natur zur Erscheinung kommt. Dies aber
wird sich darin äußern, daß er die nachgiebige Form zu
einem Eingehen in seine Bestrebungen zwingt. Die
Fähigkeit, diese innerste Natur eines StoHes als etwas
Lebendiges nachzufühlen, hat früher als eine naive Fein-
fühligkeit bestanden: sie besteht in der heutigen Mensch-
heit im großen und ganzen als solche nicht mehr, sie muß
gelernt werden, und zwar sowohl von denen, welche
schaffen, als auch von denen, welche genießen. Sie muß
es aber, weil der Stoff im Kunsthandwerk eine weit größere
Bedeutung hat als sonst in der Bildkunst. Ist nämlich das
Kunsthandwerk, soweit es bildliche Formen benutzt, zur
Bildkunst zu rechnen, so besteht dennoch zwischen ihm
und dem, was man im engeren Sinne Bildkunst nennt,
gerade in bezug auf die Bedeutung des Stoffes ein wesent-
licher Unterschied. Während bei der Bildkunst im engeren
Sinne der Stoff in der That weiter nichts ist, als das nicht
zu umgehende Mittel der Formgestaltung, für sich aber
keine selbständige Bedeutung beansprucht, so verliert der