Der Zeichenunterricht dient
Zweck: er bildet den Geschmack
in erster
und lehrt
Linie einem idealen
den Wert der Kunst
erkennen.
Die Erreichung dieses Zieles wird ermöglicht durch das Nach-
bilden schöner Formen und durch das Studium der Kunstgeschichte.
Gesonderte Wege dabei einzuschlagen, wäre verfehlt, denn der
Jugend erwacht das Interesse für Kunstgeschichte nur durch das
Abbilden von Kunstdenkmälern und die Liebe zum Zeichnen erst
nach vollem Verständnis des Wesens und der Form darzustellender
Motive, wie es nur durch die Kunstlehre erlangt werden kann.
Man bringe z. B. im Unterrichte das Bild einer griechischen Thon-
vase in Vorlage, und es wird sich zeigen, dass die Schüler freudig
und mit Interesse kopieren, sobald sie eine genügende Erklärung
über die Herstellung und Form der Vase im Vergleich mit solchen
aus anderem Material und anderen Zeiten erhalten, während sie
nur aus Pdichtbewusstsein oder auch Zwang arbeiten, wenn ihnen
diese Erläuterungen nicht zu teil werden. Die Resultate in beiden
Fällen sind von augenfalliger Verschiedenheit und sofort über-
zeugend, dass durch das lebhafte Interesse an dem Gegenstande
auch die Güte der Darstellung gewonnen hat.
Ein weiterer, sehr wesentlicher Vorteil liegt ausserdem noch
in der Anleitung zur klaren Formbeschreibung vorgelegter Motive.
Die kaum glaubliche Ungeschicklichkeit und Ünbeholfenheit der
Schüler bei den geringsten derartigen Anforderungen zeigt gegen-
über ihrer manuellen Fertigkeit, wie sehr der Zeichenunterricht
einem verständnislosen, nur mechanischen Kopieren ausgesetzt ist,
das wohl äusserlich bestechen kann, über die Erfolge harmloser
Beschäftigungen aber keineswegs hinausreicht. Nicht im gedanken-
losen NachäEen, sondern in der verständnisvollen Formgebung, der
der mündliche Ausdruck zur Seite steht, liegt für die Mittel-
schulen der Weg, aber auch nur der einzige, der zum Ziele führt.