Im alten ägyptischen Reiche ist die Rosette nur sehr vereinzelt
nachzuweisen, erreicht aber mit dem Aufschwung, den die Archi-
tektur im neuen Reiche nimmt, als Ausfüllung kleiner quadratischer
von Mäander- und Spiralmustern umschlossener Deckenfelder, sowie
als Abschlussverzierung der Wände, hier alternierend mit der Lotos-
blume, eine vielfache Verwendung. Auch die Goldarbeiter bedienen
sich ihrer hin und wieder zur Verzierung von Gefässen oder von
Armringen.
In Babylonien finden wir sie auf dem Gewande einer Königs-
statue des 12. vorchristlichen Jahrhunderts in einer Weise darge-
stellt, die ihre Verwendung in der hochentwickelten Stickerei dieses
Landes auf sehr frühe Zeit zurückdatieren lässt.
Die Assyrer, die babylonische Kunst weiter entwickelnd,
räumten ihr einen hervorragenden Platz in ihrer Dekoration ein.
Auf Gewändern und Teppichen, auf Stirnbändern und anderem
Schmuck, auf dem Lederzeug des Pferdegeschirres, auf den Metall-
bekleidungen der Mauern und Thüren, auf Geräten aller Art sehen
wir sie wieder und immer wieder in Reihen geordnet, oder Figuren-
netze ausfüllend auftreten. Am vorteilhaftesten mag sie vielleicht
in leuchtenden blauen und weissen Emailfarben dargestellt, auf
den Ziegeln erschienen sein, die friesartig den Palastwänden ein-
gelassen waren oder im Halbkreise die Portale derselben umrahmten.
Riegl, der auch die Rosette als „Produkt des Lotos" betrachtet,
wird für diese Ansicht kaum Anhänger Enden, denn erstens sind
die Blätter des Lotoskelches mit wenigen Ausnahmen spitzig und
und nicht abgerundet wie bei der Rosette, und zweitens würden
die Ägypter, gleichwie bei der gewiss älteren Darstellung des
Kelches, so auch bei der Vollansicht der Blütenkrone die Blätter nicht
allein nebeneinander, sondern auch hintereinander vorsehend, gebildet
haben. Bezüglich der Ähnlichkeit steht die Rosette den kleinen
Feld- und Wiesenblumen ungleich näher, als der Lotosblüte, und
überdies liegt der Gedanke durchaus nicht so fern, dass das ganze
Gebilde einer geometrischen Konstruktion entsprungen ist, die man,
ausgehend von den Diagonalrichtungen, zur Ausfüllung eines
Quadrats oder eines Sechseckes in Anwendung brachte. Auch der
Punktstem steht der Rosettenbildung in nächster Nähe.
Ob das Euphrat- oder Nilthal zuerst die Rosette darstellte,