heiligen Nilwasser entragende Lotosblüte und Papyrusstaude. Die
erste gleicht unserer Seerose, die andere, die das Material zum
ersten Papier lieferte, trägt auf einem hohen Stengel eine wedel-
artige Bekrönung. (Zur Papierfabrikation wurden aus dem Mark des
Stengels dünne Scheiben geschnitten, dieselben in zwei Lagen quer
übereinander gelegt, das Ganze mit einem Klebstoff getränkt und
schliesslich einer starken Pressung ausgesetzt.) Die Darstellung
beider Pflanzen ist eine ziemlich gleichartige, nur mit dem Unter-
schied, dass dem Lotoskelche Blätter eingezeichnet sind, während
der Papyruswedel als eine oben bogenförmig abgeschlossene Umriss-
zeichnung dieses Kelches erscheint. Diese Gleichheit der Grund-
form erschwert es schon in der ältesten Kunst, die beiden Ge-
bilde richtig auseinander zu halten, und in der vielgestaltigeren
neueren ist eine solche Trennung überhaupt nicht mehr möglich.
Neuerdings tritt nun auch Goodyear (The grammar of the lotus, etc.)
mit der sehr begründeten Ansicht auf, dass alle Blütendarstellungen
überhaupt nur mit dem Lotos zu identifizieren seien.
Diese Blume erfreute sich in dem wiesen- und waldlosen,
eintönigen Lande einer beispiellosen Zuneigung, einer abgöttischen
Verehrung. Schon am frühen Morgen übergibt die Dienerin
ihrer Herrin einen Strauss derselben; beim Gastmahl werden solche
den Eingeladenen überreicht; Säulenschäften werden sie angebunden
und in prunkenden Goldgefässen zur Schau gestellt. Die Frau
im Festgewande trägt eine frische Lotosblume im Haar; den
Wänden sind Lotosblüten in fortlaufender Reihe aufgemalt, selbst
die Säule erscheint in ihrer Gestalt. Schmuck und sonstige Luxus-
gegenstände ohne Zierat von Lotoskelchen sind selten. Auch im
Kult müssen sie eine hervorragende Rolle gespielt haben, denn
unter den Opfergaben von Ramses III. an die Tempel werden
nicht weniger als 19 Millionen Blumensträusse angeführt. Die
Mumien wurden mit Lotos umwunden, der Betende brachte sie,
wie viele Reliefs es bezeugen, auf dem Opfertische seinem
Gotte dar.
Über das erste bildliche Auftreten des Lotos können nur
Mutmassimgen gepflogen werden. Semper (der Stil) führt den
Ursprung aller Dekorationskunst auf die Flechterei, Weberei und
Stickerei zurück und wirkte in dieser Annahme so überzeugend,