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nehmen, sondern um mich meiner Freiheit zu erfreuen und stu-
diren und zeichnen zu können. Deshalb bitte ich Ew. Herrl. um
der Liebe Gottes willen, mich zu entschuldigen.
Ich habe Euch mitzutheilen, wie gestern der Komm-M An-
drea mich aufgesucht hat, indem er mir sehr viel Höflichkeiten
und Artigkeiten erwies; und er fragte, ob ich an Niemanden,
auch an ihn selbst nicht einen Brief von Ew. Herrl. abzuge-
ben hätte; denn Sie hätten ihm geschrieben, um mich ihm zu
empfehlen; so dass er die Absicht hatte, mich gleich mit von
diesem Orte wegzunehmen, der, wie er Sagte, sich nicht für
unseres Gleichen passte, und er wollte mich durchaus zu sich
nach Hause führen; es machte ihm gar keine Umstände und er
hätte schon dasselbe Zimmer in Stand gesetzt, das Sie schon
einmal bewohnt hätten, und es machte ihm gar keine Unbe-
quemlichkeit und er sprach so viel davon, dass ich nicht-
mehr wusste, was antworten, ausser dass ich ihm immer dankte
und ihm sagte, ich hätte keinen Brief, weil ich meine Freiheit
behalten will. Genug, ich machte mich mit grosser Mühe frei,
und wenn nicht Meister Giacomo denn so heisst mein Wirth
dagewesen wäre und mir gut geholfen hätte, so hatte ich ihm
nicht entgehen können. Ich bitte Ew. Herrl., mir dies nicht
übel zu nehmen, und mich bei ihm zu entschuldigen, wie Ihr
meint, dass es am besten sei, denn er liess es beim Weggehen
merken, dass er ein wenig beleidigt wäre.
Und nun hielt es mich nicht länger und ich musste mir die
grosse Kuppel ansehen, die Sie mir so vielmals anempfohlen
haben, und in der That blieb ich starr vor Erstaunen, als ich
dies gewaltige Werk erblickte, an dem jede Einzelheit so vor-
trefflich verstanden und auf den Anblick von unten nach oben
so richtig und mit solcher Strenge berechnet ist und dabei im-
mer mit solchem Geschmack und solcher Anmuth, und mit
mit einem Kolorit, das wahrhaft Fleisch scheint. Bei Gott,
weder Tibaldo, noch Niccolino, noch, ich stehe nicht an eS 111
sagen, Rafael selbst haben je Aehnliches geschaffen.
Ich kenne noch nicht so viel Sachen, aber ich habe mil"