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sieht, die Manier eines andern erlernen kann, indem er dessen
Werke studirt. Das ist so klar, dass es keiner Beispiele zu be-
dürfen scheint; trotzdem aber will ich deren einige anführeIL
Malerei und Skulptur sind bis auf imsere Zeiten mehrmals
zugleich mit den Meistern zu Grunde gegangen, Wie könnten Sie
nun also heutigen Tages gekannt sein, wenn sie nicht ohne Meister
erlernt werden könnten? Und um die Wahrheit zu sagen, so
hatte man kaum angefangen, die verschütteten antiken Statuen
aus der Erde aufzugraben, als auch die Kunst zu einem neuen
Leben zurückkehrte, in Folge der Beobachtung und des Stu-
diums, welche die Menschen darüber anzustellen unternahmen.
Aehnlich erging es mit der Malerei in Folge der ausgegrabenen
Bilder. Polidoro da Caravaggio war ursprünglich ein Maurer-
gehülfe und durch das Studium der alten Skulpturen der Tra-
jans-Säule wurde er ganz von selbst ein bewunderungswürdiger
Meister im Helldunkel. Matteo Civitali von Lucca soll nach
Allen zuerst Barbier gewesen sein und erst im Alter von mehr
als vierzig Jahren hat er Scheere und Kamm weggeworfen und
sich daran gemacht, den Marmor zu bearbeiten. Und in Genua
kann man in der Kapelle des h. Johannes des Täufers an den
sechs von ihm gearbeiteten Statuen sehen, 0b er von selbst zu
lernen vermochte. Michel Angelo nannte sich Schüler des Torso
vom Belvedere, an dem er grosse Studien gemacht zu haben
behauptete, und in der That hat er durch seine Werke bewie-
sen, dass er damit die Wahrheit gesagt. Um indess hiermit zu
Ende zu kommen, möchte ich doch alle diejenigen, nach denen
man nur von einem einzigen Meister die Kunst erlernen soll,
fragen, weshalb sie denn antike Basreliefs, gute Zeichnungen
und ausgezeichnete Stiche kaufen, und 0b sie dies zum Studium
oder aus Gewohnheit thun. Vielleicht aber sagen sie wegen
ihrer geringen Bildung, es sei aus Gewohnheit oder zur Unter-
haltung 1), und es ist möglich, dass sie damit, in der Absicht
zu lügen, die WVahrheit sagen. Jene wollen ihre Böswilligkeit
ornanmento.
Per