Volltext: Kunst und Künstler des siebzehnten Jahrhunderts (Bd. 2)

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Dieser Tage bin ich in Mailand gewesen und habe dort 
Dinge gesehen, die mich wahrhaft in Staunen versetzt haben. 
Ich will Euch nicht von dem Abendmahl des Leonardo da Vinci 
in dem Kloster delle Grazie sprechen, welches in der That etwas 
Wunderbares gewesen sein muss; jetzt aber erregt es Mitleid, 
indem es ganz voller Flecken und schwarz geworden ist, und 
zwar, wie ich glaube, aus Schuld des Malers, der, ein wie grosser 
Mann er auch gewesen, doch nicht die wahre Art kannte, wie 
auf Mauern zu malen ist. In der Kirche delle Grazie habe ich 
eine Tafel von Gaudenzio (Ferrari) mit einem h. Paulus in der 
Verzückung und einer Landschaft von so schöner Art gesehen, 
dass vielleicht Rafael selbst sie nicht schöner und besser gemacht 
haben würde. Dabei ist eine Kapelle der Passion, al fresco aus- 
gemalt mit einer unendlichen Mannigfaltigkeit von Köpfen, Fi- 
guren und Gewandungen, und eine Geisselung Christi an der 
Säule, so ergreifend und das Ganze mit solcher Leichtigkeit, 
dass es eher mit einem Hauche, als mit einem Pinsel gemacht 
scheint. 
In einer zu einem Nonnenkloster gehörigen Kirchel), nicht 
weit von S. Arnbrogio, auf deren Namen ich mich nicht mehr 
besinnen kann, finden sich verschiedene Sachen von Bernardino 
Luini, dem Vater eines Luino, der in Mailand viele Werke hin- 
terlassen hat, die aber von geringerem Werthe als die des Va- 
ters sind. 
Wenn Vasari diese Sachen gesehen, und wenn er Augen 
hatte um das Gute zu erkennen, so musste er nothwendig dar- 
über erstaunt sein. Bei den Mönchen della Pace habe ich auch 
Bilder dieses vorzüglichen Künstlers (Bernardin0 Luini) und ei- 
nes gewissen Marco da Uglione (Oggione) gefunden, der viel- 
leicht rascher gearbeitet hat, aber sonst nicht mit Bernardino zu 
vergleichen ist. Ich habe mich überzeugt, dass Mailand auch an 
andern vortrefllichen Malereien reich ist und werde binnen Kur- 
zem dorthin zurückkehren. 
Maurizio.
	        
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