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der italienischen Kunst messen darf, während sie dieselbe an
Originalität bei Weitem übertrifft. Wie sehr die Ideen der Refor-
mation die deutsche Kunst des sechszehnten Jahrhunderts be-
rührt und umgestaltet haben, ist schon oben bemerkt worden.
Auch hier aber war, durch innere Verhältnisse wie durch
äusserliche Einflüsse bedingt, ein gewisser Manierismus auf die
kurzen Jahrzehende wahrhaft nationaler Blüthe gefolgt, und als
im siebzehnten Jahrhundert überall sich das Streben nach neuen
Kunstgestaltungen zu regen begann, waren die deutschen Ver-
hältnisse so trauriger Art, dass an eine anhaltende harmonische
Kunstentwicklung nicht wohl zu denken war. Das Gefühl inne-
rer Zerrissenheit und die Schwüle Vorahnung des Kampfes, der
dann auch bald dreissig Jahre lang Deutschland verwüsten
sollte, liess es hier nicht zu der glücklichen inneren Ruhe und
zu dem Gefühl der Gemeinsamkeit kommen, die selbst bei der
grössten Bewegtheit der äusseren Verhältnisse Grundbedingun-
gen aller künstlerischen Thatigkeit im Leben der Völker aus-
machen. Dagegen waren diese Bewegungen in den Niederlan-
den schon früher zum Abschluss gelangt, und zwar in doppelter
Weise. In den belgischen Provinzen, die ebenfalls mit reforma-
torischen Ideen durchdrungen waren, war, wie die spanische
Herrschaft, auch der Katholicismus Sieger geblieben; aber nicht
ohne mancherlei Einflüsse und Modifikationen zu erleiden, wie
dies auch in der bis dahin herrschenden italienischen Kunst-
weise der Fall war. vDenn auch hier war", wie Schnaase ein-
mal sehr richtig bemerkt, "das Gefühl der eigenen Kraft durch
den, wenn auch nicht siegreichen Befreiungskrieg zu sehr an-
geregt, um sich nicht da, wo es verstattet war, Luft zu machen,
und um der absterbenden italienischen Kunst länger zu folgenq
vdiß belgische Kunst blieb im Aeusseren der fremden Kunst
treu, und erfuhr unvermerkt den Einfluss der einheimischen
Denkungsweisei. Mit Entschiedenheit brachte diese Verände-