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v25 Hiebe alle Morgem zuerkennt, um dadurch zu grösseren
Studien und zu geringeren Geldforderungen ermahnt zu werden,
und einen andern vom 17. Juli 1728, worin er den Freund um
etwas Salbe der heil. Pazienza gegen die Gicht bittet. Auch
unser obiger Brief trägt diesen Charakter an sich, und bedarf
eigentlich keiner weiteren Erläuterung. Nur Eines mag hier
hervorgehoben werden. Es ist meines Wissens der erste Brief
eines Künstlers, in welchem der Mode Erwähnung gethan wird.
Wir stehen in den Zeiten, in denen die Kunst Modesache ge-
worden ist. Und das war in der That der Zustand, zu welchem
die Kunst gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts gelangt
war. Von grossen und man kann sagen weltgeschichtlichen
Ideen sahen wir die Malerei noch im Anfange des siebzehnten
Jahrhunderts erfüllt; bedeutsame Gegensätze der religiösen,
sittlichen und nationalen Anschauungen kamen in ihr zur Gel-
tung; aber immer mehr und mehr verengert sich, nicht ohne
Schuld der Künstler selbst, der Wirkungskreis der Kunst,
welche in dem Bewusstsein der Zeit hinter andern Mächten
zurückzutreten genöthigt ist; der Hochmuth der Künstler (vergl.
Nr. 98) und die gelehrte Pedanterie der Kenner (vergl. Nr. 99)
ziehen diesen Kreis immer enger und enger, und tragen dazu
bei, die Theilnahme in der grösseren Menge des Volkes an der
Kunst immer mehr und mehr zu ertödten. Die Kunst wird zu
einem Spielwerk der Laune und zu einer Sache der Mode! In
diesem Zustande verharrte sie, bis in der zweiten Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts die grossen Ideen, welche die Welt
neugestalten sollten, auch die Kunst erfüllten und dieselbe
einer neuen lebensfrischeren Entfaltung entgegenführten.