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von Toskana wurde. Er soll ein guter Mathematiker und Schü-
ler Vivianfs gewesen sein. In seinen obigen Kunst-Aeusserun-
gen ist er schwülstig und breit. Der Inhalt des Briefes wäre in
drei kurze Sätze zusammenzufassen gewesen. Und doch konnte
derselbe dem Leser nicht erspart werden. Die Langeweile der
Kunstgelehrsamkeit, die darin herrscht, ist dieselbe, die sich
immer mehr der künstlerischen Betrachtungsweise bemächtigt.
So kann auch darin ein Zeugniss geschichtlicher Entwickelung
gesehen werden. wTacere il mediocre e industria di buon' oratore
e non offizio del buono storicon, sagt Lanzi einmal, wla medie-
crita de' tempi da diritto alla storia anche agli uomini mediocriu.
Was den Gegenstand des Briefes anbetrifft, so hatte die an
sich ziemlich müssige Frage über den höheren oder gerin-
geren Werth von Skulptur und Malerei schon seit fast zwei
Jahrhunderten die Künstler und Kunstfreunde beschäftigt. Etwa
hundertundfünfzig Jahre vor der Abfassung unseres obigen Brie-
fes hatten auf Anregung des Benedetto Varchi, Michel Angelo,
Benvenuto Cellini, Agnolo Bronzino, Giorgio Vasari u. a. (Künst-
lerbriefe l. 220. 222. 327. 364 ff.) sich über das Verhältniss der
Skulptur zur Malerei ausgesprochen. Wer mit jenen Aeusse-
rungen die gelehrten Untersuchungen Brescianfs vergleicht,
wird damit zugleich einen Vergleich zwischen der Kunst in der
Mitte des sechszehnten und am Schlusse des siebzehnten Jahr-
hunderts anstellen. Wie war jene so frisch und jugendlich; wie
ist diese so rasch gealtert und aller rüstigen Schöpfungskraft
beraubt! Aber hatte dies Loos etwa nur die Kunst damals ereilt,
oder ist nicht vielmehr diese Schwäche eine allgemeine Eigen-
heit der Zeit, an welcher die Kunst Theil hat, wie sie einst
an dem jugendlich glücklichen Aufschwunge des gesammten
Geisteslebens Theil genommen hatte?