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und ihm dann bald antworten. In dieser Antwort nun, die lei-
der nicht vorhanden ist, scheinen ihm die Herren Vorsteher die
Vorschläge gemacht zu haben, die er im Anfange unseres BriefeS
mit so grossem Selbstgefühl und so grosser Entrüstung zurück-
weist. In der Art und Weise, mit der er dies thut, so wie in den
Gegenvorschlägen, die er den Bauherren macht, sind höchst
wichtige Aufschlüsse über das Kunsttreiben und die künst-
lerische Anschauungsweise am Schluss des siebzehnten Jahr-
hunderts enthalten. Es wird indess kaum nöthig sein, die-
selben hier näher zu erörtern; wohl aber verdient ein Punkt
hervorgehoben zu werden, der von besonderer kunstgeschicht-
licher Bedeutung ist. Es ist die von Ludovico David ausge-
sprochene Ansicht, ein Bild _könne von Niemandem richtig
beurtheilt werden, der nicht selbst ein erfahrener Maler sei.
David beruft sich auf den Brief, den Filippo Baldinucci an den
Marchese Vincenzo Capponi gerichtet und worin er dieselbe
Ansicht ausgesprochen habe. Dieser Brief, datirt aus Rom,
28. April 1681 ist in dem 21. Bande von Baldinuccits Notizie de'
Professori del disegno (Florenz 1774 S. 3 abgedruckt und
spricht in breiter und nüchterner Beweisführung wirklich diese
Ansicht aus, die als Zeichen der Veräusserlichung und des Ver-
falles der Kunst betrachtet werden kann. Allerdings werden ge-
wisse technische Dinge, wie z. B. Farbenmischung und ausset-
liche Schwierigkeiten der Technik von dem Maler vielleicht
besser, als von Anderen, gewürdigt und erkannt werden. Davon
aber das Urtheil über ein Kunstwerk durchaus abhängig machen
zu Wollen, heisst nichts anderes, als die Kunst selbst zu einer
Sache der Aeusserlichkeit und des blossen Machens herabzu-
würdigen. Das aber thaten jene und thun diejenigen Künstler
noch heute, die mit der oben angedeuteten Pratension immer von
Neuem hervortreten. Ob wohl Rafael und Michel Angele dem
Baldassare Castiglione und Benedetto Varchi je die Fähigkeit
abgesprochen haben, über ihre Werke ein Urtheil zu fallen?