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sinnige Menschen ab, die nach ihrem eigenen Kopf und Sinn
leben, dergleichen es nicht wenige giebt, die doch gerne für
sanftmüthige Brüder wollen angesehen Seineü nwil- lassen aber
diese plumpe Thiere (die Esel) fahren, und wollen uns mm an
solchen erlustigen, die viel netter und artiger sind, und auch bei
den Alten in sehr hoher Achtung gestanden haben, nämlich an
den Hirschen und Reben, welche Sinnbilder der Reinlichkeit,
Schönheit und Furchtsamkeit, des Gehöres, der Bereitschaft und
des grossen Verlangens sind, wenn sie gejagt werden, wie auch
die Hinden mit dem Steinböcklein, welche angenehme Haus-
frauen abbilden. Weil dann diese in Farben meistentheils über-
einkommen, so können sie auf dem Leibe mit lichtem Ocker,
braunroth und ein wenig Umbra gemalt werden, wozu im Erhö-
hen etwas Weiss kommen muss. Auf dem Rücken aber muss
man Roth sparen; unter dem Bauche gebraucht man schwarz,
lichten Ocker und WBlSS" S. 1701). Das achtzehnte Jahrhundert
acceptirte eine solche AuiTassung und Behandlung der Kunst
bestens, und man kann sagen, dass denselben auf dem Felde der
Theorie eigentlich erst Kant durch seine Kritik der Urtheilskraft
ein Ende gemacht hat.
BENEDETTO LUTI
ANTONIO DOMENICO GABBIANI.
an
Rom, 13. September 1692.
Mit dieser Gelegenheit schicke ich an den Herrn Niccolö
ein Bild, auf Welchem Kain dargestellt ist, der seinen Bruder
erschlagen hat, wie Sie wohl schon von diesem Herrn selbst
werden vernommen haben. Da mir nun das Werk viel weniger
gelungen ist, als ich es mir in meinem Sinne ursprünglich vor-
stellte, so erröthe ich tief, mit einer solchen Arbeit vor Ihnen
erscheinen zu müssen; denn ich sehe nur zu wohl ein, dass
dieselbe nicht werth ist, den Namen eines Ihrer Schüler zu
1) Wie lange sich eine solche Aeusserlichkeit im Theoretischen erhalten
kann, Zeigt u. a. Prange, der in seiner "Akademie der Malerkunst" der-
artige llegeln mit einer wo möglich noch grösseren Trivialiläf aufstellt.
Veräl- E" Guhl: die neuere geschichtliche Malerei und die Akademieen, 5- 59-