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jetzt hinlänglich gekannt bin, wenn nicht von Euch, so doch von
der ganzen übrigen Welt. Ich gestehe Euch, dass Ihr mir, so
lange ich Euch kenne, nie mehr als dies Mal missfallen habt,
und ich würde es nie für möglich gehalten haben, dass ein
Freund wie Ihr, mich in einer Sache verletzen würde, wcrin
ich weiss ein besseres Lob zu verdienen.
Malern von meiner Stellung und aussergewöhnlichem
Geiste 1) muss man, mit Ausnahme des Maasses, alles Uebrige
ganz nach ihrem freien Ermessen überlassen so würde ich
gegen Euch in ähnlicher Lage gehandelt haben und sich
nicht vermessen, Familienväter belehren zu wollen, wie sie zu
Söhnen zu kommen haben. Man muss den Genius dessen, der
zu arbeiten hat, unterstützen und ich glaube, dass jede, wenn
auch kleine Arbeit eines klassischen Malers Lob und Preis von
dem, der sich wahrhaft darauf versteht, verdient, und ich er-
innere Euch daran, dass ein einziger Vers Homer's mehr Werth
hat, als ein ganzes Gedicht eines Ghoerilus. Mehr will ich nun
nicht sagen, um nicht dem Zorne Baum zu geben, in den Ihr
mich versetzt habt. Bei Gott, wer hat je eine grössere Dumm-
heit vernommen als diese? Zu glauben, man könne einen
Freund, der Maler ist, an der Zahl der Figuren erproben!
O Freund, spart diese Eure Chikanen für die Dichtungen auf,
und nicht für mein Gemüth, das sich in Bezug auf Euch keines
Vorwurfs bewusst ist; und wenn dies von meiner übergrossen
Offenheit und Freiheit im Sprechen herrührt, so verspreche ich
Euch, in Zukunft bei ähnlichen Neckereien Euch von meiner
Seite noch Schmeicheleien zu sagen. Ich grüsse Alle in der
Familie und Euch umarme ich von Herzen.
Die Entzweiung der beiden Freunde, von welcher der
obige Brief (Bottari I. 458) Zeugniss giebt, scheint bald der
alten Freundschaft gewichen zu sein. Ein Brief Salvat0r's vom
21. Oktober 1665 deutet wieder auf einen sehr innigen Verkehr
Di mia
stravagante.
genio
condizione