XXXII
Grossartigkeit bekundet; sehr lehrreich ist in dieser Bezie-
hung der Brief Carlo Maderno's an Paul V., über seine Motive,
von dem von Michel Angelo festgestellten Grundriss der Peters-
kirche abzuweichen; nicht minder der Brief Crespfs an Federigo
Borromeo, über die dem h. Carlo Borromeo zu errichtende Ko-
lossalstatue. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn Claudio
Tolomei die Baukunst nicht als Erfindung des Menschen, son-
dern als Resultat besonderer göttlicher Eingebung betrachtet
wissen will. Daher kommt es, dass die Kunstwerke weniger
ihrer Ausführung, als wegen der frommen Empfindungen ge-
schätzt und gerühmt werden, die sie in dem Beschauer hervor-
rufen, wie dies namentlich ein an Federigo Barocci gerichteter
Brief in Bezug auf ein Kruzifix dieses Meisters thut, der unter
Nr. 1 der folgenden Briefe als einer der frömmsten Meister unter
den Manieristen geschildert wird. Daher endlich ist es zu er-
klären, wenn der Maasstab des Tridentiner Koncils an die
künstlerische Produktion angelegt werden kann, wie dies Ga-
brielle Paleotti und nach dessen Vorgange viele andere Schrift-
steller gethan haben (S. u. S. 122 -126). Insoweit der Kunst
durch diese Restauration ein positiver Inhalt wieder zugeführt
Wird, insoweit ein ernster sittlicher Sinn, wenn auch in vielen
Fällen nur äusserlich, gefördert wurde 1), muss man dieselbe als
einen grossen Fortschritt begrüssen, und der Ruhm der Caracci
liegt eben darin, dass sie dieser veränderten und geläuterten
Zeitstimmung Ausdruck in der Kunst verschafft haben. Aber
l) Der berühmte Dichter Giovanni Batista Marini, der allerdings erst
in späterem Alter von dieser neuen Zeitrichtung berührt wurde, bittet
einmal Lodovico Caracci, ihm das Bild der Salmaeis zu malen. Er möchte
in der Darstellung des (sehr üppigen) Gegenstandes nicht allzu zurück-
haltend sein; das Bild würde nicht öffentlich gezeigt, und auch Baroccio
habe ihm ein ähnliches gemalt. Nicht tugendhafter war, nach dem Aus-
spruche Ranke's, die Zeit geworden, wohl aber ernsthafter; ein Ausspruch,
Für den sich viele Bestätigungen auch aus der Kunstgeschichte anführen
lassen könnten.