Volltext: Kunst und Künstler des siebzehnten Jahrhunderts (Bd. 2)

XXIX 
I allerdings ein Spiel des Zufalls, dass Luther und Rafael in einem 
"Jahre geboren sind; aber es ist kein solches Spiel, dass die 
grossen Schöpfungen, die sich in jenen Personen gleichsam ver- 
körperten, fast zu derselben Zeit erwachsen, sich erweitern und 
vollenden. Hier wie dort erhebt sich  und zwar von denselben 
Einflüssen angeregt  der Geist der Nation zu seiner letzten 
Höhe und Vollendung. Die Reformation ist auf dem Gebiete" der 
Religion und der Sittlichkeit, was die Erfolge RafaePs und seiner 
Zeitgenossen auf dem der schönen Form. Wie diese Verinner- 
lichung des Geistes und diese Vertiefung des religiösen Gefühls 
auf die deutsche Kunst in der ersten Hälfte des sechszehnten 
Jahrhunderts ihren Einfluss ausgeübt, und dieselbe zu einer nur 
ihr eigenthümlichen Vollendung geführt habe, hoffe ich bald an 
einem andern Orte zeigen zu können. Hier genüge nur die Be- 
merkung, dass die Reformation auch für die Kunstgeschichte 
des Südens von der grössten Bedeutung geworden ist. Ohne für 
jetzt dabei zu verweilen, dass gerade die innerlich grössten unter 
den italienischen Meistern der Blüthezeit von dem Hauch der 
reformatorischen Ideen berührt gewesen sind, dürfen wir hier 
nur anführen, dass in dem Kampf gegen die sittlich tief begrün- 
dete Macht des Protestantismus auch der Katholicismus sich in 
sich selber vertieft und gekraftigt hatte, und dass diese Um- 
wandlung des Zeitbewusstseins es vor Allem war, die zu der 
schon oben besprochenen Erneuerung des Kunstlehens geführt 
hatte. Man kann dieselbe als die Restauration der Kunst be- 
trachten, wie die Gesammtbestrebungen der katholischen Welt 
sich in den Begriff der Restauration der katholischen Kirche 
Zusammenfassen lassen. Niemand hat dies Verhältniss mit freie- 
rcm Blick und feinerem Verständniss für die künstlerische Ei- 
genthümliehkeit geschildert, als Ranke, der dadurch ein gwSSeS 
Verdienst um die Kunstgeschichte des siebzehnten JahrhundertS 
erworben hat. ßDie Kunsti, sagt derselbe in Bezug auf die Mil- 
nieristen, vwusste nichts mehr von ihrem Objekt; Sie hatte die
	        
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