Volltext: Kunst und Künstler des siebzehnten Jahrhunderts (Bd. 2)

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werden muss, wenn man zum Verständniss dieser ganzen Be- 
wegung gelangen will. Es war keine hloss zufällige, persönliche 
Abneigung, welche die Caracci zum Kampf gegen den Manieris- 
mus bewegt hatte. Ein tieferer Grund lag in der Zeit selbst und 
in dem veränderten Bewusstsein der Zeitgenossen, die nach 
einem festeren und positiveren Gehalt in der Kunst verlangten, 
als die Manieristen zu bieten im Stande waren. Diese Verände- 
rung im Leben der italienischen Nation war durch ein Ereigniss 
hervorgerufen, das überhaupt dazu bestimmt war, der modernen 
Bildung durchaus neue Bahnen anzuweisen. Die Reformation 
war in Deutschland um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts 
zu einem wenigstens vorläufigen Abschluss gediehen. Die Refor- 
mation nun hat nicht nur eine neue Welt des Glaubens und der 
Gesittung im Gegensatze zu der bestehenden Welt des Katholi- 
cismus geschaffen, sondern sie hat auch durch ihre Rückwirkung 
dieser letzteren selbst einen neuen Lebensathem eingehaucht. 
Im Norden und namentlich in Deutschland hatte sich während des 
ganzen fünfzehnten Jahrhunderts eine innerliche, gemüthliche 
und sittliche Durchbildung vollzogen. Der Geist des Volkes 
hatte sich hier ebenso in sich selber vertieft, als er in Italien 
und dem romanischen Süden überhaupt zu ausserlich glänzen- 
den Formen und Gestalten sich auseinander gelegt hatte. Das 
Resultat nun dieser Verinnerlichung des deutschen Geistes in 
Poesie und Leben, in Sitte und Kunst trat fast zu derselben 
Zeit in die Erscheinung, als das der gleichzeitigen italieni- 
schen Entwickelung. Hier zeigte es sich in der durchaus heite- 
ren, glänzenden und prächtigen Gestaltung des äusseren Le- 
bens, in der erneuten Blüthe antiker Denk- und Sinnesart; in 
Deutschland in der Vertiefung und Erneuerung des Glaubens 
und in dem Versuch, danach die Verhältnisse des Lebens neu zu 
gestalten. In Italien geht daraus die hohe Kunstblüthe hervor; 
in Deutschland die Reformation. Wunderbar, wie der Zeit nach 
diese beiden grossen Erscheinungen zusammenfallen. Es ist
	        
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