REMBRANDT.
XVir haben schon in der Einleitung auf den Gegensatz hin-
gewiesen, der zwischen der Kunstweise Rubens und Rem-
brandt's obwaltet. Es lasst sich dieser Gegensatz bis in alle
Einzelheiten ihrer Lebensstellung und künstlerischen Wirk-
samkeit hindurch verfolgen. NVir haben in Rubeny Leben das
ldeal einer glänzenden und prächtigen Künstler-Existenz ken-
nen gelernt, die gleichsam auf der äussersten Höhe der gesamm-
ten Zeitbildung stand. Durch Rembrandt (1606-1669) werden
Wir in die engeren Kreise des Bürgerstandes eingeführt. Rubens
nahm eine der ersten Stellen im spanischen Belgien ein und hatte,
wenn schon von der tiefen Noth seines Vaterlandes ergriffen,
doch Theil an dem äusseren Glanze des innerlich verrotteten
spanischen Regimentes. Rembrandt führt ein stilles und be-
scheidenes Dasein in dem durch kühne '_l'hat innerlich wie
äusserlich frei gewordenen Holland. In Holland war die pro-
testantische Bewegung zu einem glücklichen Abschluss und zu
einer Umgestaltung aller Lebensverhältnisse gelangt, während
Deutschland noch alle Schrecken eines unglücklichen und blu-
tigen Bürgerkrieges durchzumachen hatte. Wie hier das kirch-
liche Joch zerbrochen worden, so wurde auch das lockere Band
der Abhängigkeit von der spanischen Weltmonarchie zerrissen
und der junge Staat erwuchs durch Protestantismus und poli-
tische Freiheit bald selbst zur Weltmacht. Poesie, Wissenschaft
und Kunst bekunden nun durch einen überraschenden Auf-
schwung die schöpferische Macht dieser neuen Ideen. Wie
dies in der Literatur geschehen, ist schon in der Einleitung
angedeutet. In der Kunst zeigt es uns Rembrandt. Rembrandt
gehört allerdings nicht zu denen, welche an der Spitze der gei-
stigen Bewegung gestanden haben; aber er ist von jenen Ideen
berührt und durchdrungen; er schafft in ihrem Sinne. Seine
Aufgabe war es, dem geistigen Gehalt, den er aus Zeit und
Leben in sich aufnahm, eine Stätte in der Kunst zu bereiten,
einen künstlerischen Ausdruck zu geben. Er steht in dieser
Beziehung in einem ähnlichen Verhältnisse zu der Bildung sei-
ner Zeit und seiner Nation, wie Correggio einst zu der des sechs-
zehnten Jahrhunderts. Was ich im ersten Bande der Künstler-
briefe S. 151 und 152 über Correggio gesagt habe, lässt sich faSt
wörtlich auf Rembrandt anwenden. Wir haben hier dieselbe
stille Bethätigung eines reichen Talentes in engen und be-
schränkten Kreisen; dasselbe Durchschnittsmaass allgemeiner