XXII
nicht, um etwas Neues, innerlich Begründetes, an die Stelle der
alten Kunstweise zu setzen. Es ist sehr bezeichnend, welcher
Art die Bilder waren, mit denen er sich in jene Konkurrenz
einliess. Vor Allem wird ein Gemälde erwähnt, auf dem er
mehrere musicirende Personen darstellte. Auf einem Tische stand
eine Karaffe mit Wasser und Blumen, in der sich die umgeben-
den Gegenstände, und namentlich ein Fenster, sehr natürlich
spiegelten. Caravaggio hielt dies selbst für sein bestes Werk.
Man freute sich, statt der gespreizten und gezierten Figuren der
Manieristen, wieder ein Stück Wirklichkeit und Natur zu sehen.
Man musste vor Allem die WVirkung des Kolorits bewundern.
Alle künstlichen und konventionellen Farben, mit denen der
Manierismus Missbrauch getrieben hatte, wurden ausgeschlossen,
Zinnober und Azur wurden von ihm, wie ein italienischer
Kunstgeschichtsschreiber einmal sagt, fast gänzlich verbannt;
nur einfache kräftige Töne wendete er an. Das Studium Gior-
gione's kam Caravaggio in dieser Beziehung sehr zu statten. In
der Wahrheit seines Kolorits lag, ehe er sich entschieden der
Schwarzmalerei zugewendet hatte, das Hauptverdienst dieses
Künstlers. Darin lag zu gleicher Zeit der grosse Einfluss be-
gründet, den er fast auf alle hervorragenden Zeitgenossen aus-
geübt hat. Annibale Caracci sagte in seiner derben Weise von
ihm, er müsse sich wohl Fleisch zum Malen des Fleisches rei-
ben! Von den übrigen Akademikern bekunden diesen Einfluss
am Meisten Guido Reni und Guercino; von den Franzosen Vouet
und
Valentin;
VOll
den
nordischen
Künstlern
Honthorst
und
Rubens! Bis dahin nun War die neue Weise Caravaggids wohl
berechtigt, und selbst seine Gegner verkennen dies nicht. Sie
geben zu, wie Grosses er in dieser Beziehung geleistet habe,
und wie günstig er in diesem Sinne auf die Kunst hätte wirken
können. Nun aber lag in dem Wesen und Charakter dieses
Mannes Vieles, was der an sich berechtigten Auffassung eine un-
heilvolle Wendung gab. Roh und ungebildet in seinem Wesen